Archiv für den Monat September 2014

Maltherapie – wie geht das eigentlich?

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DSC_0073lIch wurde heute gefragt, wie Maltherapie eigentlich funktioniert. Nun war ich gerade in meiner Lehrtherapie. Davon brauchen wir für den Abschluss nämlich 40 Stunden, da man uns ja schlecht auf die Leute loslassen kann, wenn wir noch nicht mal unsere eigenen Knüttel kennen. Keine Angst, ich werde hier nicht mein innerstes Seelenleben über euch ergiessen, aber ein schönes Beispiel mit euch teilen.

Es ging um das Thema „Vertrauen“ – ganz ehrlich gesagt, ich weiss nicht so recht, wo ich das stehe. Im Grunde denke ich, ich habe viel Vertrauen in das Leben, andererseits könnte ich mir auch gut vorstellen, dass hinter der nächsten Ecke einer lauert, der mal eben das Bedürfnis verspürt, sein Sezierbesteck an mir auszuprobieren. Ich sollte das Thema also zu Papier bringen, und offen gesagt, ich hatte keinen Plan. „Da vertrauen wir mal, dass irgendwas bei rauskommt“, kicherte ich, und glaubte noch nicht so recht daran. Ich füllte also erst mal Farbe in einen Teller. Grün, Orange und Rot. Vielleicht, weil Grün die Hoffnung symbolisiert, das Leben schlechthin, die Verbundenheit mit unserer grössten Ressource, der freien Natur. Orange symbolisiert für mich die Lebensfreude schlechthin und Rot ist die Farbe der starken Gefühle. Ein bisschen Schwarz und Weiss, für die Nuancen.

Nun stand ich ratlos vor dem Zeichenblatt, tupfte grüne Punkte, die bald wie eine Raupe aussahen. Drum herum zog ich einen Kreis, und da dämmerte es mir: Das Ding sieht aus wie ein Apfel. Der vergiftete Apfel, den die böse Königin Schneewittchen reichte, haha. Auch Adam hatte vertrauensvoll in den Apfel gebissen, den Rest kennen wir ja. Ich lachte laut und meinte, ich wisse nicht so recht, ob ich daraus wirklich vertrauensvolle Schlüsse ziehen könne. In Gedanken versunken drehte ich mit dem Pinsel grosse Kreise um den Apfel. Nicht enden wollende Kreise. Samsara, der Kreislauf, der sodann auch Adam und Eva erfasste. Gut, „an apple a day keeps the doctor away“ und schliesslich kann auch der Broccoli vergiftet sein, mit Pestiziden zum Beispiel. Ob der Apfel gesund oder giftig ist, das wissen wir nicht. Aber geht es darum, immer blindlings zu vertrauen? Ein gesundes Misstrauen ist mitunter sehr angebracht. Es geht um Klarheit in der Einschätzung der Lage und ums richtige Abwägen.

Ohne den herzhaften Biss in den giftigen Apfel hätte Schneewittchen wohl bis an den Rest ihres Lebens die Teller der Zwerge gespült, anstatt den Prinzen kennenzulernen. Adam und Eva wären gelangweilt im Paradies rumgehockt, und hätten am Ende nichts als Lämpe bekommen. Mal abgesehen vom ganzen übrigen Spass, der ihnen entgangen wäre. Die Dinge sind nicht immer was sie scheinen. Ich drehte nun mit dem Pinsel einen schwarzen Kreis, einfach weil es Spass machte. Die Farbe zog sich pastös übers Papier und plötzlich erkannte ich eine Schallplatte. Was uns nicht vertrauen lässt, ist die Angst, die ihre Mantren singt, wie in eine Schallplatte in unserem Kopf.

Ich präsentierte meine Gedankengänge Liliane, der Therapeutin. Offen gesagt war ich begeistert, denn nichts von alledem hatte ich bewusst oder absichtlich gemalt. Beides tauchte einfach so auf, und das ist der Geist der Maltherapie. Es sind die Bilder aus unserem Unbewussten, die uns Antworten liefern. Was einst mein Vertrauen erschüttert hatte, erwies sich als potenzieller Segen, denn es hat den Platz frei gemacht für Neues, Passenderes. „Was ist denn das für ein Strich?“, fragte Liliane. Wie ein Pfeil, schoss es mir durch den Kopf, und ich antwortete: „Auch Willhelm Tell hatte mächtig Vertrauen in sich, als er seinem Sohn den Apfel vom Kopf schoss“. „Das könnte doch wie der Stab sein, der die Platte zwischendurch mal anhält“. „Wo sie recht hat, hat sie recht“, dachte ich, und malte einen Stopper an den Stab. Dieses schlichte Bild wird, mit einer neuen Sichtweise, wieder in mir versinken, wie es aufgetaucht ist – und dort wirken. Und ganz sicher werde ich es mir gerne ganz bewusst in Erinnerung rufen, sollte die Platte mal wieder zu lange drehen.