Archiv für den Monat Dezember 2014

Das Kriegsbeil im Oxa-Gärtli – eine Weihnachtsgeschichte.

Standard
Das Kriegsbeil im Oxa-Gärtli – eine Weihnachtsgeschichte.
roesliEinst lernte mein damaliger Mann das Rösli kennen. Völlig legitim. Wir steckten in einer schweren Krise und hielten die Leine lang. Aufgegeben hatten wir indes noch nicht, und so suchten wir am Wochenende jeweils ein Stück Normalität zu finden. Nun störten Sonntag für Sonntag Telefonanrufe und SMS unsere Eintracht: das Rösli. Läck isch die mir ufe Sänder gange. Als ich später aus der gemeinsamen Wohnung auszog – ein schwerer Moment – da kam sie gleichentags angerauscht, mit Kind und Kegel. Die Klinke war noch warm, und die kommt, um Ferien zu machen, in MEINER Heimat, die ich eben aufgeben musste. Die kennt ja ächt nüt. Der Kessel war für mich geflickt.
Eines schönen Abends sah ich diese Person im Oxa. Sie stolzierte auf mich zu: „Ich wär denn übrigens s’Rösli“. „Ich weiss“, antwortete ich, „aber es interessiert mi nid“. Sie trug meine Rede zu ihren Kollegen. „Wie arrogant!“, schrien diese (eines der wenigen Male, wo all jene Spezialisten, die mich für arrogant halten, wirklich mal recht hatten). „Oh je, oh je,“ stöhnte mein Ex, „jetzt geht das Theater erst richtig los – das wird sie nicht auf sich sitzen lassen“. Sie aber bewies Sinn für Humor und fand, soviel Schlagfertigkeit sei grandios.
Nun hatten wir ja eines gemeinsam; einen Menschen, den wir lieben. Ausserdem war klar, dass wir uns begegnen werden, immer wieder. Also schrieb sie mich an. Das fand ich gut. Wir beschlossen, das Kriegsbeil im Oxa-Gärtli zu begraben. Als wir uns trafen, haben wir uns prächtig amüsiert und gelacht wie noch nie. Heute schreibt sie: „Und d’Moral vo derä Misere. Jetzt hei mir üs ganz doll lieb und ich ha ja eh immer gseit, mir wärde mal Fründinne!“. Lektion: Die Dinge sind nicht immer, was sie scheinen.
Nette Story, sagt ihr, aber das ist doch eine coole Frau. Die Leute, die ich nicht mag, sind echt üble Charaktere. Nun gut, einer noch: Sascha, ein Freund, hat Ansichten, die treiben mich bisweilen zur Weissglut. Vieles davon ist politisch. Er steht rechts, ich links. Ich schätze ihn trotzdem. Er ist manchmal ein Pilzkopf, aber er hat auch schöne Seiten. Letztere kannte sein Arbeitskollege nicht. Ein Algerier, er hielt ihn für einen Rassisten. Das kann ich verstehen. Nun sollte besagter Algerier entlassen werden, das Budget reichte einfach nicht mehr für ihn. Sascha überredete das Team, auf einen Teil des Lohnes zu verzichten, damit der Algerier bleiben könne. Was geschah? Der Algerier arbeitet noch heute dort und hat seine Sicht auf Sascha wohl geändert. Nochmal: Die Dinge sind nicht immer, was sie scheinen.
Das ist kein Aufruf zur Kritiklosigkeit. Ich würde nicht mit Andenmatten spazieren gehen. Aber Freunde, es ist Weihnachten. Was ich mit dieser Story sagen will, ist im Grunde biblisch: Du sollst dir kein Bildnis machen. In jedem Menschen steckt ein bisschen Gott. Man muss nicht alle Meinungen und alles Verhalten tolerieren. Aber Menschen zu verurteilen, die man kaum kennt, das ist schwer selbstgefällig. Jedenfalls wenn man nicht die geistige Flexibilität hat, seine Meinung um 180 Grad zu ändern. Es ist einer per se kein schlechter Mensch, weil er dich böse angeschaut hat. Auch nicht, weil er Dinge sagt, die dir nicht gefallen. Und nicht, weil er dir deine Frau ausgespannt hat. Zeig Grösse. Es gibt Menschen zu entdecken.
PS: Auf meiner Suche zum Thema bin ich über Max Frisch gestolpert und habe mich gefreut, wie schön er meine Gedanken in Worte fasst:

Schminktipps.

Standard

kinopoisk.ruWir sassen in entspannter Runde im Sitzungszimmer und suchten nach Themen. Das Ansinnen war es, unser Geschäftsfeld einer breiten Öffentlichkeit schmackhaft zu machen. Da hörte ich es: „Wie wär’s mit Schminktipps?“. Der Blick richtete sich auf mich. Keine Ahnung warum. Ich bin gänzlich ungeeignet, dieses Thema dem Laien näher zu bringen: Ich schminke mich mit der Spritzpistole. Sowieso kann ich nur mich selbst anmalen, wie andere aussehen, ist mir leidlich egal. Manch ein kurrliges Haus überrascht mit komfortablen Innenräumen. Das habe ich natürlich nicht gesagt, denn der Mann ist mir sympathisch. Ich bin sicher, er hat es nicht böse gemeint.

Ich nehme aber die Herausforderung an: Ich selber hätte ja gerne lange, volle Wimpern. Also hab ich es versucht. Sogar mit künstlichen Wimpern. Erst kleben sie schräg auf dem Augendeckel, dann gerät der Leim ins Auge, du siehst aus wie Nosferatu nach zehn Gläsern Schnaps. Nur mit viel Geduld gelang es mir. Dummerweise waren die Wimpern am Ende des Abends nicht mehr da. Ich habe mich wochenlang gefragt, wo sie wohl überall gehangen haben, bevor sie der Schwerkraft erlagen – auf meiner Nase? Wie der Mann mit der Nudel bei Loriot? Ich rate davon ab.

Lenken wir also die Aufmerksamkeit auf den Mund. Volle Lippen kann man schlecht schminken. Im Ernst, ich habe es versucht, und zwar mit Permanent Make-up. Nun ziert mich ein schwarzer Rand, seit 10 Jahren schon. Ich bin sicher, wenn die Archäologen auf meine Überreste stossen, ist allein der Rand noch da. Immerhin ist er nicht grün, das birgt im Alter den Hauch des Kompostierbaren. Aufspritzen kann man, wenn aussehen will wie ein Napoleon-Lippfisch zur Paarungszeit. Ich empfehle, täglich mehrfach eine halbe Stunde lang Didgeridoo spielen. Das hilft. Ehrlich. Wer keins hat: Ein Staubsauger tut’s auch. Einfach voll aufdrehen.

Kehren wir nochmals zu den Spiegeln der Seele zurück: Marilyn Monroe blinzelte sich zum Sexsymbol, allein mit ihrem Schlafzimmerblick. Natürlich sind nicht alle von der Natur dergestalt gesegnet. Macht nichts: Haltet euch eine Mücke als Haustier! Je ein Stich täglich in jedes Lid, und die Männer liegen euch zu Füssen.

Und jetzt im Ernst: Monet, Gauguin, Picasso. Malt doch, wie ihr wollt. Marusha hat es mit grünen Augenbrauen weit gebracht. Who cares?

Romantik im Tram

Standard
Romantik im Tram

romantiktramJa, ja, ich weiss schon: Süffisante Texte über das Leiden mit unbequemen Weggenossen im ÖV füllen die Motzspalten der einschlägigen Plattformen wie das Wasser mein Lavabo, wenn wieder mal zu viele Haare in den Abfluss gefluscht sind. Aber zu diesen Meckernasen gehöre ich nicht. Wirklich. Im vollen Tram Zeitungsberichte über abgehackte Köpfe und amerikanische Foltermethoden lesen zu müssen, belastet mich wesentlich mehr als der telefonierende oder friedlich mampfende Nachbar. ÖV-Motz, das ist Jammern auf verdammt hohem Niveau. Jene, die sich über Taschen auf den Sitzen ereifern, manifestieren in meinen Augen ein weitaus übleres Problem: die grassierende Wortlosigkeit. Man könnte ja versehentlich einen Frosch ausspeien, wenn man darum bittet, den Platz frei zu machen. Selbst wenn sie das Tram verlassen will, durchbohrt dich die schweigende Masse lieber mit Blicken – du weisst nie, ob der Mensch neben dir aussteigen möchte, oder ob er intensiv den Pickel an deiner Schläfe mustert. „Äxgüsi“ ist gefährlich, jedenfalls für Männer. Es könnte als „Ex-Büsi“ missverstanden und von der Dame mit einem scharfen „das wüssti, du Perversling!“ gekontert werden.

Item. Ich stieg also frohen Mutes und offen für die Menschlichkeiten dieser Welt ins Tram. Die Plätze waren alle besetzt, beinahe jedenfalls. Drei der Passagiere führten Gepäck neben sich auf dem Sitz und ja, schon klar, ich habe eben gepredigt, man könne sich ja bemerkbar machen. Aber diese Damen hatten ihren halben Hausrat mit. Ich versicherte mich, ob ich nicht irrtümlich ins Cargo-Tram eingestiegen bin und habe mir das Geächze vorgestellt, wenn das ganze Bagage zu Boden gezügelt werden muss. Nein, ich hatte ehrlich ganz einfach keine Lust, und pilgerte weiter ins Heck. Dort hat es im Tram 2000 nämlich so ein kleines Bänkchen, an das man sich ganz bequem anlehnen kann. Ein Herr hatte die Vorzüge dieses Aufenthaltsorts ebenfalls erkannt, und so standen wir dort einträchtig beeinander.

Plötzlich steuerte eine junge Dame in Rot auf uns zu, und ehe ich wusste, wie mir geschieht, pflatsch, schon hatte sie sich zwischen uns fallen lassen. Zum besseren Verständnis: Das besagte Bänkchen ist so breit wie ein normaler Sitz. Sie war von eher korpulenter Statur, das ist nun wirklich nicht despektierlich gemeint – ich will damit nur verdeutlichen, dass die Sache unerfreulich eng wurde. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es fanden sich reihum genügend Stehplätze, um auch einen Klaustrophoben noch frohlocken zu lassen. Ich prüfte meine Jacke, ob mir etwa jemand aus Spass einen Sticker mit der Aufschrift „Free Hugs“ aufgeklebt hätte. Meitli, gspürsch s’Sardinefeeling nid? Sie muss sich unwohl gefühlt haben. So leicht gibt man ja aber einen Kampf nicht auf. Ich auch nicht. Wir haben uns also zärtlich aneinander geschmiegt: Bald erhob sie sich, zum Gehen gewandt, bald besonn sie sich ihres Kampfgeistes und liess sich wieder in unser lauschiges Nest fallen.

Die vorletzte Haltestelle, einer stieg ein, musterte uns.  Er schien zu überlegen, ob er mitmachen will. Ok. Ich bin raus: „Adieu, s’isch romantisch gsi. E kuschligi Wiehnacht no“.