„Rchrchrchr“. Die Falttüre des Lifts klappt zu. „Rchrchrchr“. Sie schnellt wieder auf. „„Rchrchrchr, Rchrchrchr“. Der Aufzug flattert mit seinen Flügeln wie ein aufgescheuchtes Huhn beim Anblick des Bündner Wolfs. Wahrscheinlich fährt er gleich wieder mit mir in den Keller. Des Gefährt aus dem Jahr 1952 ist im Alter etwas eigensinnig geworden. Heute steht mir der Sinn nicht nach Abenteuer: Ich geh zu Fuss, ächze mich zehn Etagen hoch. Oben angekommen, steht die renitente Kabine schon da und grinst mich an, mit ihrem fahlgelben Licht.
Ich hab ja so quasi schon mal im Lift festgesteckt, am Zürifäscht vor einigen Jahren. Michel und ich hatten uns bereit erklärt, für einen Coiffeur Werbung zu machen. Dazu hatten wir nichts weiter zu tun, als mit opulenten Frisuren und wildem Make-up durch die Altstadt zu ziehen. Wir wurden begleitet von Gusti. Dessen Freundin, eine Bankerin, lud uns ein, spontan auf der Dachterrasse der Crédit Suisse vorbeizuschauen. Es gab Cüpli und freien Blick aufs Feuerwerk. Ich liebe Feuerwerk!
Die Raketen schiessen hoch und bunt. Wie der letzte Funke vom Himmel regnet, wollen wir weiterziehen. Wo Sibylle wohl steckt, ist sie schon draussen? Wir steigen zu dritt in den Lift und drücken frohgemut den Parterreknopf. Die kleine Kammer ruckelt und surrt gemächlich ins Erdgeschoss, bleibt mit einem kleinen Zittern stehen und gibt den Blick in einen mit Bancomaten ausgestatten Raum frei. „Ha-haalt“, stottert Gusti, „das ist die Schalterhalle – da gehen wir besser nicht rein!“. Er drückt den ersten Stock, den zweiten, der Lift macht keinen Wank. Er flucht, seine Stirn beginnt zu glänzen. Nervös zückt er sein Handy, wählt Sibylles Nummer: „Wir sind hier im Lift, in der Schalterhalle unten“.
„Wo seid ihr???“. Sibylles Stimme gellt durchs Handy als hätte sie eben ein Zalando-Paket erhalten.
„Ich hab dir gesagt, nimm nicht den Lift! Ich habe es dir GESAGT“.
Schade, hat sie es uns nicht auch wissen lassen. Ich seufze in mich hinein.
Das Handy kreischt weiter: „Wenn ihr den Lift durch die Schalterhalle verlasst, steht in 5 Minuten die Polizei im Raum und steckt euch ein Maschinengewehr in die Nase“.
Klingt verlockend. Ich bin mir sicher, wir würden es locker auf die Titelseite diverser Tageszeitungen schaffen, erst recht mit dieser Frisur. Ich stell mir die Gesichter vor, wenn die uns in diesem Aufzug im Aufzug finden.
Wir warten.
Eine halbe, eine ganze Stunde. Sibylle versucht den Hauswart zu erreichen – keine Ahnung, was geht.
Jetzt ist es soweit, der Plan steht. Es gibt einen Ausweg. Vorsichtig öffnen wir die Tür zur Schalterhalle. Wir zünden eine Zigarette an. Im Rauch werden die Lichtschranken sichtbar. Ich spüre die Milben des Teppichs in meinen Atemwegen, während ich flach unter den Strahlen durchrobbe. Wo bleibt George?? Ok, alles Quatsch. Gleich neben dem Lift gibt’s eine Treppe. Die ist zu erreichen, ohne dass der Alarm losgeht. Warum hat man uns das nicht vor einer Stunde schon gesagt?
Sibylle steht oben an der Treppe, und entlädt eine Salve tief emotionaler Begrüssungsworte über dem Haupt ihres Liebsten. Ich bin einfach nur froh, gibt es keine Blick-Schlagzeile.