Archiv für den Monat April 2012

Psychopathologische Köpfe

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Also ich hab da so nen Spleen. Ich zeichne Köpfe. Genauer gesagt Frauenköpfe. Und zwar schon seit ich denken kann.

Seinen ersten Höhepunkt fand mein Wirken im Vorschulalter, als mein Kinderzimmer neu eingerichtet werden sollte. Das Pult war zum Zwecke des Abtransports ausnahmsweise vertikal statt horizontal aufgestellt. Die ungewohnte Ausrichtung ermöglichte es meinem Kumpel Patrick und mir, die Seitenwände besagten Mobiliars zu erklimmen und so die Decke zu erreichen. Diese Chance haben wir genutzt, und es entstand im Gemeinschaftswerk eine meiner nachhaltigsten Ölmalereien. Wir haben nämlich die Köpfe ausladend und mit Ölkreide in Decke und Wand hinein gepresst. Ich weiss nicht, wie oft der Maler Jahre später noch überpinseln musste – aber hey, schon als Knirpse wussten wir die Wirtschaft anzukurbeln!

Eine weitere Schaffensphase prägte schliesslich meine Gymnasialzeit, als ich das Pult grossflächig und in Farbe neu zu gestalten pflegte. Warum die Lehrpersonen sich gegen das Kritzeln von Zettelchen wehrten, gegen meinen Vandalismus hingegen nicht, ist mir bis heute ein Rätsel. Zwischenzeitlich im Berufsleben angekommen, lebe ich meine Passion während Sitzungen etwas kleinformatiger auf firmenintern gesponserten Schreibblöcken aus. Das soll nämlich die Konzentration fördern. Hab ich gelesen.

Seit einiger Zeit gibt es nun meine Frauenköpfe auch auf dem dafür vorgesehenen, mithin am meisten geduldeten Trägermaterial; der Leinwand. Die Bilder sind nicht im eigentlichen Sinne schön, aber sie zeigen frei nach Yin und Yang unmissverständlich den Gegenpol und Ausgleich zu meinem unbändig fröhlichen Naturell. Kurz und gut, sie sind schrecklich. Auf ihre ganz eigene Art. Die meisten jedenfalls. Voller Verzweiflung und Elend. „Gell, das bist du?“, fragt mich eine Kollegin zu dem dunkelroten Bild mit der zweigeteilten Frau, die kurz vor ihrem Ableben zu stehen scheint. Ich fühle einen Widerwillen. Jetzt sprechen wir nicht mehr über das Bild, wir sprechen über mich. Klar, ich möchte mein Bild zeigen. Es ist vielleicht kein Kunstwerk, aber ich fühle wie ein Kind, das stolz seine Strichmännchen zeigt. Wenn ich das Bild zwanzig Leuten zeige, möchte ich mit allen zwanzig Leuten über mich sprechen? Nee. Aber wie gehen Maler expressionistischer Bilder mit sowas um? Gut, bei Frieda Kahlo erübrigen sich die Fragen. Hingegen Munch mit seinem „Schrei“? Hat er über sein innerstes Seelenleben geplaudert, mit jedwedem, der darüber Vermutungen äussern mochte? Oder hat er sich temporär ins Ausland abgesetzt? Ich weiss es nicht.

Die schönste Rückmeldung übrigens, die ich dazu je zu einem Bild erhalten habe, lautete: „Es hat mich berührt“. Danke, Susi. Jedenfalls, hier ist mein Neuestes. Keine Ahnung, was es aussagt – vielleicht wisst ihr’s?

http://www.presseportal.de/pm/7861/1393765/gruner_jahr_geo

Nachts in Herrn Salzmanns Schlafzimmer.

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Oft steht er im Hausflur und schaut aus dem Fenster am Treppenaufgang. Er wirkt meist etwas verloren. Manchmal trifft es sich, dass wir zusammen im Lift stehen. Dann sucht er das Gespräch und pflegt zu sagen „Ach wissen Sie, es ist nicht einfach, so allein, seit meine Frau gestorben ist“. Es verstreichen nur einige Sekunden zwischen den neun Stockwerken, doch das genügt, um die ganze Wehmut zu erfassen, die diesen alten Mann gefangen hält. 

Die Nacht ist hereingebrochen, rastlos wälze ich mich im Bett hin und her. Zwei Dosen Red Bull pro Tag sind einfach zu viel. Zwischen zwei Atemzügen meines unruhigen Schlafes höre ich eine Stimme. „Haaalllooooo“. Ach nee. Wieder mal einer besoffen. „Haaaaloo… ife in umett ugeit!“, krakelt es. Ehm, wie war das? Bitte nochmal. „Haaallloo“. „Vielleicht braucht jemand Hilfe?“, frage ich mich, „die alte Frau von nebenan?“. „Ach wo. Schlaf jetzt!“. Zwei Seelen in meiner Brust, sie fangen sich an zu streiten. So ist an Schlaf nicht zu denken. Ich stehe auf, schmeiss mir was über und öffne die Wohnungstüre. Totenstill breitet sich der Hausflur vor mir aus. Bin ich denn die einzige, die da etwas hört? Jetzt, da ist es wieder: „Haaalooo! Hilfe, bin zum Bett us gheit!“. Oha. Aber wer ist aus dem Bett gefallen? Wo? Wie soll er oder sie mir denn die Türe öffnen? Bald renne ich die Treppe hinauf, im Bademantel mit den kleinen Totenköpfchen, bald die Treppe hinunter. Ich lausche an der Türe zur Wohnung unter mir. „M. Salzmann“ steht da. Ob das der alte Mann aus dem Lift ist? Aus der Wohnung von Herrn Salzmann erklingt ein klägliches Rufen.

Ich klopfe. Rufe. Klingle. „Haaalllooo! Hil-fe-bi-zum-Bett-us-gheit!“. Der Mann hört mich nicht, hat sich schon zu tief eingesungen in seinen Hilferuf. Ich brauche einen Freund und Helfer. Also wähle ich die 117 und schildere meine Beobachtungen dem freundlichen Mann von der Stadtpolizei. „Wir schicken einen Streifenwagen her“, sagt der Mann am Telefon „können wir bei Ihnen klingeln“? Aber sicher. Wozu sonst heisse ich Klinger? Der Traum vom Schlaf rückt in weite Ferne.

Die beiden Polizisten, ein Mann und eine Frau, sind bald da. Ich höre, wie sie poltern, wie sie rufen, erfolglos. Kaum zurück im Bett, klopft es an der Türe. „Entschuldigen Sie, haben Sie wohl einen Balkon?“. Die Polizistin durchquert meine Wohnung, guckt vom Balkon hinunter, sieht da aber auch nichts. „Der Schlüssel steckt. Wir kommen nicht rein. Wir haben den Schlüsseldienst bestellt“. Nach einer weiteren Viertelstunde ruckt und rattert es im Flur. „Haaallllooo! Hilfe bi zum Bett usgheit“. Immer und immer wieder. Schon seit über eine Stunde schreit der Mann gebetsmühlenartig sein Sprüchlein. Das tut weh im Herz. Er sollte sich einen Futon zulegen. Und ich sollte jetzt schlafen. Kann nicht, solange es weiter ruft. Ein Stock tiefer geht es mit dem Bohrer zur Sache. „Haaaalooooo…“. Um 3.56 Uhr endlich knirscht und knarscht es im unteren Stockwerk. Die Tür ist ausgehebelt. Stille kehrt ein. Die Gedanken kreisen weiter, bis zum Morgengrauen.  

Am anderen Tag, erneut stehe ich vor der Salzmann’schen Tür, mit bunten Tulpen in der Hand, und drücke auf den Klingelknopf. Mit Erfolg! Der Mann – ja, es ist jener aus dem Lift – öffnet mir die Tür. Ich sage, dass ich die Polizei gerufen hatte, versuche zu erfahren, ob man Angehörige informieren könnte, beim nächsten Mal. Er versteht nicht. „Ja, die Polizei“, sagt er, „durchs Fenster sind sie gekommen. Niemand hat reagiert, nur die da oben“. Er deutet mit dem Finger gegen meine Wohnung „Ich BIN die da oben“, sage ich und weiss, im nächsten Moment wird er es wieder vergessen haben. Er ist 96. Und geht jetzt ins Bett. „Ich bin so müde“, gähnt er. Das kann ich wirklich gerade sehr gut nachfühlen. „Gute Nacht“, sage ich. Er nickt, dreht den Schlüssel im Schloss, und lässt ihn stecken. 

Mit Erich im Park

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Eben habe ich einen Abstecher in den schönsten Park Zürichs gemacht. Es gibt zwei Jahreszeiten, an denen ich ihn ganz besonders mag: Die eine ist dann, wenn die Bäume mit roten, orangefarbenen und gelben Blättern so tun, als stünde der Herbst nicht für Vergänglichkeit, sondern bringe neues Leben mit sich. Die andere ist jetzt: Blühende Kirschbäume, Magnolien – so ganz genau weiss ich’s ja nicht. Für mich ist alles Kirschbaum, was weisse und rosa Blüten trägt. Magnolien kenne ich, ich hab sie vorhin gegoogelt.

Wer in diesen Park will, passiert zunächst einen massiven Türbogen, das dickem Gestein von Efeu umrankt. Ganz oben auf dem Bogen sitzt, zur Statue versteinert, eine Frau und wacht über alle, die den Park betreten. Es ist wie ein Eingang in eine andere, mystische Welt. Oft stelle ich mir vor, mit einem weissen Kleid durch diesen Bogen zu treten, ein sanfter Windhauch in den Haaren. Wie in diesen Liebesromanen. Ok, das ist jetzt albern. Im Park drinnen schweift der Blick über eine wildromantische, aber gepflegte Landschaft und Blumen in den verschiedensten Farben. Unzählige Geschichten liegen hinter jedem Winkel. Mein Lieblingspark ist ein Geheimtipp, und eigentlich sollte ich hier gar nicht darüber schreiben. Nur wenige kommen her, um ein Buch zu lesen oder ganz einfach unter den Bäumen zu liegen und in den Himmel zu schauen. Die meisten Menschen, die sich hier aufhalten, plagen keine Sorgen. Hier ist Platz für jede Regung des Herzens.

Manchmal treffe ich in meinem Park einen Freund, sein Name ist Erich. Dann setze ich mich auf die kleine Parkbank unter dem Baum, dessen Gattung ich freilich nicht kenne, und Erich sitzt neben mir. Wir sind beide still. Obwohl ich nichts über ihn weiss, macht er mir keine Angst. Erich versteht mich ohne grosse Worte und nimmt mich, wie ich bin, ohne Schminke und kluges Gerede. Hier muss ich nichts. In diesem ruhigen Park, abseits der Hektik der Stadt, neben Erich, erkenne ich wieder, was wichtig ist. Ich frage mich oft, wie er wohl sein Leben gelebt hat, er und seine Frau, die gleich neben ihm liegt. Ich werde es nie erfahren, und doch werde ich auf dem Sihlfeld immer wieder an die Notwendigkeit erinnert, wahrhaftig zu leben.       

Auf der Mauer, auf der Lauer…

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Nach meinem letzten Beitrag steht die These im Raum, dass allzu Persönliches die Einen oder Anderen überfordert. Das wollen wir doch mal testen. Ich erzähle euch jetzt etwas ganz Persönliches über mich.

Ich habe Angst.

Und zwar vor winzig kleinen Tieren. Solche, die krabbeln. Gut, hierzulande hält sich der Schrecken in Grenzen. Aber von meinen Afrika-Ferien, sag ich euch, da hätt ich was zu erzählen. Oder vielmehr mein Ex, er hat nämlich die Käfer aus dem Zimmer und die Heuschrecke aus meinen Haaren entfernt. Aber auch in unseren Breitengraden kann es brenzlig werden, wenn das Tier nämlich mit Flügeln ausgestattet ist. Wanzen zum Beispiel. Ganze Familien davon lungern vor unserem Haus herum und nützen jede Gelegenheit in Form eines offenen Fensters, unerlaubterweise einzudringen. Sollte einer der Leser hier Wanzenried mit Nachnamen heissen: du bist nicht gemeint.

Wisst ihr eigentlich, dass Wanzen ein höchst vielfältiges Sexualverhalten geniessen? Ich verweise hier auf Wikipedia: Am übelsten sind wohl in jeder Hinsicht Bettwanzen. Hier überfällt das Männchen das Weibchen ohne Werbeverhalten und begattet es sofort. Sichelwanzen sitzen stundenlang auf dem Weibchen und umklammern es mit den Beinen (klingt irgendwie interessant?!). Einige Wanzen paaren sich in antagonistischer Stellung, andere rechtwinklig zueinander. Bei den Rindenwanzen sitzt das Männchen unter dem Weibchen (es lebe das Matriarchat). Nun, die Vorstellung zweier Wanzen, die sich finden und wild kopulierend (ob rechtwinklig, antagonistisch oder klassisch in der Missionarsstellung ist mir recht egal) ihren Nachwuchs in mein Heim ergiessen, geht eindeutig zu weit. Da hört die Nächstenliebe einfach auf.

Neulich also thront wieder einmal so Ungetüm über mir am Türrahmen, der auf den Balkon hinaus führt. Wir wollen das Tier Marleen nennen, denn der Fall ist klar, eine von uns beiden muss jetzt gehn. Da ich hier wohne, ist der Entscheid schnell gefällt: Kein Asyl für Marleen. Gut, ich hab auch schon auf dem Sofa übernachtet, weil das Schlafzimmer von einem geflügelten Käfer besetzt war. Hier aber sind Wohn- und Schlafzimmer eins, und im Bad schläft es sich einfach nicht bequem.

Ein Feind mit Flugfähigkeiten ist schwer zu fangen, das weiss man spätestens seit Superman. Vor allem, wenn der eigene Puls rast. Ich beschliesse also, das Tier ganz einfach hinauszublasen. Mit dem Fön bewaffnet pirsche ich mich an den Eindringling heran, ziele, es pustet und – kein Wank. Marleen denkt nicht im Traum daran, im Luftstrom sanft zu entschweben. Verzweifelt klammerte sie sich mit ihren Beinen an den Holzrahmen (es muss sich um eine Sichelwanze handeln – vielleicht doch ein Männchen?), bis sie von der Hitze wohl irgendwann einen Kreislaufkollaps erleidet. Jedenfalls stürzt sie sich wie eine F/A 18 an mir vorbei, ich, mit gellendem Schrei gerade noch zur Seite gehupft. Ich hoffe, sie hat kein Hirn-Schädeltrauma erlitten – ich schwöre, das wollte ich nicht! Den Weg ins Freie hat sie jedenfalls noch gefunden, der Verdacht aber bleibt, dass sie mir dennoch zürnt – ich wette, das Riesenvieh, das nicht viel später danach erneut auf meinem Türrahmen sass und seine gestreiften Fühler kampfesbereit aneinander rieb, war ihr grosser Bruder. Aber das ist eine andere Geschichte…

Martin

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Ein Blog muss unterhaltsam sein. So hat man es mir gesagt. Darum wollte ich heute etwas Lustiges schreiben. Heute, am  1. April, dem Tag der Spässchen. Sowas verpflichtet. Bloss, was ist lustig? Dass ich gestern die Verpackung meiner Convenience-Spargelspitzen auf der Herdplatte eingeschmolzen hab? Wohl eher nicht.

Ich hatte also alle Hoffnungen in meinen gestrigen Ausgang gesetzt. Singles im Ausgang, das gibt immer was her, wie die Bienek vom Zürcher Tagblatt mehrfach unter Beweis gestellt hat. Der Ausgang als Garant für den ultimativen Spassfaktor quasi. Ausgehen, das bedeutet für mich nicht, mit gelangweiltem Gesichtausdruck auf Stilettos herumzustehen (auch nicht in Manolo Blahniks, aber das hatten wir ja schon). Grenzenlose Fröhlichkeit ist die Devise, sympathische Leute kennenlernen und tanzen ohne Ende. So in etwa stelle ich mir das vor. Ausserdem hatte ich auch wirklich keine Lust, den Samstag Abend allein daheim vor der Glotze zu verbringen. Wie trostlos wäre das! Also nichts wie auf in den Chreis Cheib, wo sich die Jungen und Wilden treffen. Gut, ich selber zähle ja eher zu den betagten Kartons (auch: alte Schachteln) , aber soweit bin ich noch lange nicht, dass ich meine Stützstrümpfe montiere, um an einer ü30 neben gesetzten Herren mit Schlips und Blazer mein Sulzer-Gelenk zu schütteln. Solange ich mein Gebiss zur Reinigung nicht raus nehmen kann, kriegen mich da keine 10 Pferde hin.

Ich schliesse mich also meiner lieben Kollegin an und begebe mich ordnungsgemäss aufgebretzelt in eins der illustren Szenelokale, so eins mit Elektro, House und so. Es ist noch früh, über das Lokal verteilen sich hübsche, durchgestylte Mädels und Jungs in hippen Jeans und Turnschuhen. Sie haben ihr Glas in der Hand und stehen abwartend herum. Einzig eine Gruppe von Jungs mit Haartollen, höher als die darunter liegende Stirn, geht schon in die Vollen und tanzt mit eckigen Bewegungen. Sie gleichen sich wie ein Elvis-Imitator dem anderen. Nur ein blondgelockter Knabe mit Justin-Bieber-Frisur, das Gesicht milchig wie ein Weggli, bevor es in den Backofen geschoben wird, fällt dabei aus dem Rahmen. Der Junge – er wirkt, als hiesse er Martin – hat frappante Ähnlichkeit Albert Ankers „Bildnis eines Knaben mit Mütze“ und wirft sich eben mit Anlauf an die Pole-Dance-Stange, wo er sich immerhin knapp 2 Sekunden hält, bevor er wie eine fette Robbe zu Boden sackt. Das an sich wäre ja nun wirklich amüsant – über allfällige eigene Versuche dieser Art müsste ich mich sicherlich kringeln vor Lachen, und alle anderen schätzungsweise auch. Nicht aber Martin, seine Mimik mit einem Blick, so milchig wie sein Gesicht, wird nur gelegentlich durch das Spiel seiner Lippen gestört – geschürzt wie jene von Mick Jagger, bevor er ins Mikro röhrt. Was seinen Kontrast zum Haartollen-Quartett wieder relativiert: Alle haben sie nämlich das gleiche ausdruckslose Gesicht. Den selben Tanzstil in leichter Rücklage – ich muss an Herbert Grönemeyer denken. Abgerundet wird das Bild durch in die Choreographie integrierte Siegerposen und einer Handbewegung, die an das Ziehen der Notbremse erinnert. Das hätten die gescheiter schon vorher mal gemacht.

Ich sitze da also, auf dieser kleinen harten Bank unmittelbar an der Tanzfläche, mit meinem Aperol Spritz in der Hand. Ich weiss nicht, wie lange schon. Die Kollegin ist draussen, wo es mir zu kalt ist, und raucht. Ich sitze da wie bestellt und nicht abgeholt. Statt „Deutschland sucht den Superstar“ gibt’s heute „Zugedröhnte Jungs“. Frage mich, was wohl das Mami von Martin sagen würde, wenn sie sähe, wie sich ihr süsser Spatz, kaum den Windeln entwachsen, gebärdet wie ein brünstiger Pfau. Den Spinat wollte er nicht, aber bei kleinen, chemischen Bonbons greift er munter zu. Nein, das ist keine lustige Geschichte. „Trostlos“, höre ich mich selbst murmeln. Es spielt keine Rolle; hier ist jeder mit sich selbst beschäftigt. Man hört mich nicht. Ich fühle, wie das Elend in mir hochkriecht, füge eine kleine Melodie hinzu, singe leise vor mich hin: „Troohoooooostloooos. Trostlos, trostlos. Gott, wie ist das trostlos.“. Dann stehe ich auf und gehe. Bevor noch jemand einen Blog über mich schreibt.