Alles andere ist Beilage.

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Alles andere ist Beilage.

„Uii, was isch denn das für en Gschmack?“. Die kleine Dampfwolke, nach feinstem Eierlikör-Liquid duftend, war eine echte Bereicherung für dieses verqualmte Fumoir im Club, aber der Kerl neben mir rollte mit den Augen. „Hättsch lieber Salami-Duft?“, fragte ich ihn. Im Halbdunkeln sah ich, wie die Farbe aus dem Gesicht des Mannes wich. „Salami!?“. Er rang nach Atem, selbst der Strick-Fuchs auf seiner Pudelmütze zitterte. „Würsch du öbbe Tierli töte?“. „Du, das ist nur Lebensmittelaroma. Man stopft keine echte Salami in die E-Zigarette“, wich ich aus, und fügte an: „Du scheint ein überzeugter Vegetarier zu sein“. „Vegetarier???“. Jetzt war der Fuchs ganz aus dem Häuschen, spuckte Gift und Galle. „Vegetarier sind Mörder! Die essen die Menstruationsabfälle von Hühnern!!!“.

Nichts gegen Vegetarier und Veganer, sie haben meinen Respekt und ich ein schlechtes Gewissen. Aber äxgüsi, so ein saftiges Cordon-Bleu ist halt trotzdem lecker, ach ja, und ich liiiiiiiebe Fondue… „Welches Tier trinkt denn im Erwachsenenalter noch Milch? Das ist doch völlig abnorm“, ereiferte sich jetzt der Fuchs. Mochte er auch recht haben und der Blitz mich armen Sünder treffen, eine moralische Standpauke würde an meiner Fleischeslust so schnell nichts ändern. Also wandte ich mich zum Gehen, denn eben sah ich meinen Liebsten vorbeistreifen, gleich einem rettenden Boot, das mich Gestrandete von der Insel mit dem tollwütigen Fuchs retten sollte. Was aber tut das Boot? Nein! Es bleibt stehen, und mischt sich ins Gespräch. Toll. Ich ergriff die Flucht.

„Ich hab ihm gesagt, wir leben seit 7 Jahren vegan“, schmunzelte mein Herz, als er daher schlenderte. „Das wird ihn gefreut haben“, seufzte ich. Der Schwindel wäre nicht meins gewesen, aber jetzt, wo er ausgesprochen war, versprach er mein Leben an diesem Abend einfacher zu machen. „Weisst du ausserdem, wie lange der schon vegan lebt? Zwei Wochen!“. Der Fuchs hatte die Witterung aufgenommen und strahlte mich jetzt auf der Tanzfläche an: „So schön, dass ihr vegan seid. Seit 7 Jahren? Toll!“. Ich lächelte kläglich und versuchte, mit einem Ausfallschritt in der Menge zu verschwinden. „Nein Mann, ich will das nicht hörn. Ich will noch n’bisschen tanzen“. Er heftete sich an meine Fersen wie ein Raubtier, das Fleisch gewittert hat. Nun folgte er uns ins Fumoir, um die Dankbarkeit über seine Erleuchtung und neue Hasstiraden über das miese Gesindel von Fleischfressern auf unsere Häupter regnen zu lassen. „Dir fehlt es am psychologischen Geschick“, versuchte ich der Litanei ein Ende zu setzen, „du wirst niemanden überzeugen, indem du ihn beschimpfst. Geht’s vielleicht auch etwas weniger extrem?“. Allmählich hätte ich doch wenigstens gern seine Fuchsmütze durch den Fleischwolf gedreht. Mein Freund stand auf und wandte sich zum Gehen. „Also ich esse sehr gerne Fleisch“, grinste er im Vorbeigehen. Der Fuchs, eben noch in Euphorie darüber, Gleichgesinnte entdeckt zu haben, drohte nun in tiefste Tiefen zu stürzen. Das Leben wich ihm aus dem Antlitz. „Nein,“, flüsterte er heiser, „das tut er nicht, oder?“. Sein Weltbild stand auf dem Spiel, und ich hatte keine Lust auf Dramen und endlose Diskussionen. „Das würde er niiiie tun. Er will dich nur ärgern“. „Ich hab Hunger, ich hol mir mal was zu essen“: Mein Freund zog eben wieder vorbei und steuerte zum einzigen Food-Stand in diesem Lokal, mit nur einem einzigen Angebot: Croque Monsieur. Mit Schinken.

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