Archiv für den Monat Juli 2012

Drum prüfe, was ein Social Media Manager werden soll.

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Mündliche Prüfungen empfinde ich als ähnlich angenehm wie ein Bad in Kakerlaken. Wenn das Ereignis gerade mal ne Viertelstunde dauert, stellt sich auch die Frage, inwiefern der Return on Investment gegeben ist – angesichts des geforderten Studiums von 36 Präsis à insgesamt rund 2’500 Seiten. Von „Empörungswellen im Social Web“ (neudeutsch: Shitstorm) bis zu detailliertem Wissen über Smartphones und Tablets ist alles dabei. Apropos Tablets: So ein iPad sei besonders geeignet für die Generation 60+, hab ich gelernt. Weil es soooo einfach zu bedienen sei. Mensch, bis ich nur schon herausgefunden habe, wie man das Licht von dem Ding ausknipst. „Das löscht dann schon von alleine ab“, dachte ich. Pustekuchen. Im Bett hab ich mich hin und her gewälzt, konnte nicht schlafen. Das gute Stück hat mir mitten ins Gesicht geleuchtet, als wolle es mich einem Verhör unterziehen. Da hab ich es geschnappt und ins nächste Zimmer verfrachtet, wo es dann weiter vor sich hin gelichtelt hat, bis der Strom alle war. Zwei Tage später fand ich auch diesen kleinen Knopf. Ich bin halt nicht Digital native, sondern Digital plaintive.

Aber zurück zur Prüfung. Ein kluger Mann namens Sturgeon meinte, 90% aller Beiträge seien Mist. Ob das auch für meine an der Prüfung vorgetragenen geistigen Ergüsse gilt? „Guten Tag, mein Name ist Natascha Juanita Mercedes Klinger-Garcia di San Alvarez Meravigliosa“. 5 Minuten sind im Trockenen. Weitere 5 Minuten dienen zur Verteidigung der Diplomarbeit. Der orange Gurt in Ju-Jitsu hilft vermutlich nicht weiter. Ich beschliesse, das Gespräch in berndeutschem Dialekt zu führen, mit gemächlichem Redefluss, unterbrochen von gewichtig zelebrierten Denkerposen. Für die restlichen 5 Minuten gedachte ich gar nicht allzu viel zu lernen. „Wer aufgepasst hat, wird kein Problem haben“, meinte Manuel, der Studienleiter. Und ich habe aufgepasst. Ausser, wenn ich gerade online für den potenziell zukünftigen Nivea Man aus unserer Klassenmitte gevotet hab. Welchem die Spassbremsen von Nivea seinen zweiten Platz dann doch nicht gegönnt haben, obwohl er mit Plastiknase, Brille, Schnauz und Theo-Waigel-Augenbrauen klar der Schönste war.  Wo bin ich stehengeblieben? Ah ja… nicht viel lernen… aber hallo! Nicht viel lernen in einer Social-Media-Klasse, keine Chance – wenn du da angesichts der auf Facebook minütlich vorgebrachten Diskussion zum potenziellen Prüfungsstoff unberührt bleiben willst, brauchst du Nerven wie Vin Diesel, als er… äh, keine Ahnung. Wie Leonardo di Caprio, als er im Rumpf der sinkenden Titanic angekettet war.

„Sagen dir die Namen Granovetter, Nielsen, Dunbar, Sturgeon und Milgram  etwas?“. Vier Expertenaugen sind auf mich gerichtet. Klar doch, der erste vermittelte mir einen Ferienjob auf Ibiza, wo ich mit dem Zweiten 100 Minuten an der Bar einer Poolparty verbrachte: 90 Minuten lang hab ich um seine Aufmerksamkeit gebuhlt, aber er hat mich nur mit grossen Augen angesehen. Als er sich schliesslich herbemühte, hab ich neun Minuten lang auf ihn eingeredet, während er immerzu nickte und ab und an nen Kommentar fallen liess… bis er endlich in die Gänge kam, und mir meinen Caipi binnen einer Minute mixte. Der Dritte feierte ebenfalls an der Party, als dann aber der 150. Gast eine attraktive Blondine mitbrachte, entbrannte unter den Herren eine Massenschlägerei – seither ist er nicht mehr aufgetaucht. Mit den anderen habe ich die Nummern getauscht, allerdings hat sich keiner mehr gemeldet, ausser Milgram. Der weiss nämlich, dass man über 6 Ecken eh mit jedem verbunden ist. Das hat sich gerade neulich wieder bestätigt, als ich diesen hübschen, aber leicht kommunikationsgestörten Typen kennengelernt hatte. Kurz darauf erfuhr ich, dass er hinter der Kollegin meines Kollegen her ist. Zwei Ecken also. Milgram war wohl zu pessimistisch. Ich hab mir für einen kurzen Moment überlegt, ob ihr zum Vorstudium allenfalls das Video helfen könnte, das er mir freundlicherweise hatte zukommen lassen, und das ihn nackt unter der Dusche zeigt. Hab’s dann bleiben lassen.

Aber zurück zur Prüfung. „Social media is people talking with people about things they care”, sagt Manuel. InteressiertkeinSchwein gehört somit nicht dazu. Trotzdem hab ich bestanden. Yeah! Noch wenigstens etwas Sinnvolles zum Schluss: Das war ein spannendes halbes Jahr, mit sehr viel Inhalt, Top-Dozenten und einer tollen Klasse. Social Media Management an der HWZ, kann ich wärmstens empfehlen. Bitte sharen und liken. Danke.

Verschlafenes Ibiza

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Mein Herz schlägt im Rhythmus der Töne, die mir orkangleich aus den Boxen entgegenfegen. Über meinem Kopf schwingen Artisten zum Takt am Trapez, wirbeln glitzernde Papierschnipsel und versenken sich in meinem Dekolleté. Das Space in Ibiza ist ein Tollhaus. Oder besser: Ein Puppenhaus. So eins ist auf der Bühne nämlich aufgebaut, mit sechs Zimmern, jedes individuell dekoriert. In einigen davon haben überirdisch schöne Burlesque-Tänzerinnen Platz genommen, sie räkeln sich in der Wanne oder auf der Récamière. In anderen Zimmern schüren bizarre und lüsterne SM-Szenen den Voyeurismus der Zuschauer. Hinter mir speit ein Polizist Feuer – er muss in seinem früheren Leben ein Drachen gewesen sein.

Es gibt also Argumente, hier noch etwas zu verweilen, aber auch solche, zu gehen. Der Schlaf ist die Woche arg zu kurz gekommen; „Trainingswoche“ lautet das Motto, morgens um 10 geht es los mit Zumba, bis in den Abend hinein wird durch den Tag getanzt, immer wieder. Keine Sekunde ist es langweilig auf dieser Insel. Nachts gibt es noch mehr Gelegenheit, sich des Lebens zu freuen. Acht Stunden Schlaf sind optimal, sieben sind ok, mit sechs macht’s langsam weh. Erst vorgestern waren es gerade mal drei Stunden und heute früh bin ich – aus Gründen, die hier nicht näher beleuchtet werden sollen – vollständig bekleidet aufgewacht und morgen, ja da geht der Flieger. Ich wollt nicht völlig zerstört zu Hause ankommen. Ausserdem passt sich das Weiss meiner Augen zunehmend der Hautfarbe an – dunkelrot. Die Menge im Club ist dicht gedrängt, Leib an Leib. Niemals würde ich in der Hauptsaison herkommen wollen. Besser, ich mach mal nen Abgang.

Es ist vier Uhr in der Früh, wie ich ins Hotel schlurfe. Jetzt hab ich genau noch 5 Stunden. Das Zimmer teile ich mit Ayla, sie ist topfit und gerade mit dem Packen ihres Koffers beschäftigt. Fröhlich schwenkt sie eine Flasche. „Ich habe diesen Wein gewonnen“, frohlockt sie, „wollen wir trinken?“. Verlockend, aber ich winke ermattet ab. „Danke, muss schlafen, dringend.“ „Ich muss meinen Koffer packen“, stöhnt sie. „Mach was du willst, ich schlafe jetzt“, knurre ich müde, und lasse mich schon bald ins Bett sinken. Ayla ist die beste Zimmergenossin, die man sich wünschen kann, aber jetzt gerade knistert sie. Ich bin mir nicht sicher, ob sie ihre Kleider einzeln in Staniolpapier verpackt hat. 1000 Tüten scheinen im Zimmer hin und her zu sausen und Fangen zu spielen. Ich versuche, die Geräusche zu ignorieren, und ins Land der Träume einzutauchen. „Du, also dieser Sound war ja Schrott – und viel zu laut. Die Claudia hat sogar Herzrythmusstörungen bekommen, wegen dem Bass“ schüttelt sie fassungslos den Kopf. Mir hatte es eigentlich gepasst, ich fiepe irgendwas, und Ayla lacht „jöö, du bist so herzig – erinnerst mich ein bisschen an einen Maulwurf“. Silberne Steinchen an orientalischen Tüchern klimpern, im Necessaire rasseln Stifte, irgendetwas raschelt. Der Maulwurf gräbt sich ins Kissen.

Rund drei Stunden später wach ich zerschlagen auf. Ein Knistern dringt an mein Ohr. Hat sie etwa die ganze Nacht durchgepackt? Ich versuche weiterzuschlafen. Das Telefon klingelt: „Nein, ich kann jetzt nicht sprechen, meine Kollegin schläft noch“. Ich stelle mir Schafe vor. Noch zwei Stunden, bittteeee! Sie legt sie auf. Allmählich gleite ich wieder weg. Da klopft es an der Tür. Das Zimmermädchen. Ayla schickt sie fort, ich nicke wieder ein. „Willst du nicht aufstehen? Es ist schon nach neun – um 10 müssen wir das Zimmer abgeben!“, spüre ich eine Hand sanft an meiner Schulter. „Neeein, ich habe den Wecker auf 10 gestellt!“. Ich fühle, wie meine Augenringe tiefer in mich hinein sinken. Bestimmt wird gleich der Zimmernachbar seine Oboe auspacken oder aufs Schlagzeug hauen. Ayla geht zum Frühstück. Stille breitet sich aus im Zimmer. Eigentlich hat sie recht – ne Stunde ist knapp. Dann steh ich halt auf.       

Minus ein Blogbeitrag.

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Gegen alle Regeln der Kunst hab ich den Blog von letzter Woche deaktiviert. Jenen, in dem ich ein paar absurde Situationen im männlich-weiblichen Beisammensein beschrieben habe. Warum ich ihn gelöscht hab? Bauchgefühl.

Ganz ehrlich, ich verabscheue Geschlechterdiskussionen jedwelcher Art. Für mich ist Männlein wie Weiblein in erster Linie Mensch – mit Herz und Verstand, mit Schwächen und Stärken. Mir scheint, das wird bei jener Art von Streitgesprächen gerne vergessen. Darum meide ich sie wie der Teufel das Weihwasser. Die kruden Argumente beider Seiten gehen mir nämlich im Normalfall auf die Nerven. Nun war ja mein Beitrag keine Geschlechterdebatte, sondern eine Sammlung skurriler menschlicher Verhaltensweisen, die wohl kaum jemand kopieren möchte. Ich habe gerade mal zwei Feedbacks zu dem Artikel bekommen: Das erste von ner Frau, die sich freute, weil sie’s genau so verstanden hat, wie’s nicht gemeint war. Das zweite von einem Mann, dessen Thematik mit meiner auch nicht zu harmonieren schien. Etwas, was aber nicht so verstanden wird, wie ich’s gemeint hab, ist ja irgendwie nicht von mir. Da kann ich dann so nicht dahinter stehen, und darum muss es weg.

Irgendwo ahne ich auch, warum es nicht so verstanden wurde, wie ich’s verstanden haben wollte: Ich hab mich selber verarscht. Ich wollte einen witzigen Artikel schreiben, wie wir ja auch in der Frauenrunde herzhaft über die Geschichten gelacht haben. Aber wisst ihr was? Ich find’s gar nicht witzig. Ich hab mir meinen eigenen Blog vorhin gerade nochmals zu Gemüte geführt. Die geschilderten Verhaltensweisen sind überhaupt nicht skurril. Sie sind herabsetzend. Ich find’s nicht lustig, es macht mich traurig. Das Eine oder Andere hab ich selbst erlebt, das und vergleichbares, das nicht im Blog gestanden hat – und immer hat es mich getroffen. Über die grossen und kleinen Tragödien im Leben trotzdem lachen zu können halte ich für wichtig, aber unterm Strich ist ein Tritt in die Magengrube nicht amüsant, selbst mit ner Riesenportion schwarzem Humor nicht.

Der eine Leser, der mir Feedback gegeben hat, meinte: „Frau kann sich fragen, was sie tun / wie sie sein kann, dass es in eine gewünschte Richtung läuft.“ Ich habe geantwortet: „Das Weite suchen!“.  Ich will die Frage mal anders formulieren: „Was kann ein Mensch tun / wie kann er sein, wenn er geringschätzig behandelt wird?“. Meine Meinung:
1. Nicht dem Reiz erliegen, den Spiess umzudrehen, sondern authentisch bleiben und mit dem Gegenüber so umgehen, wie man es für sich selber wünscht.
2. Darauf bestehen, mit Anstand und Respekt behandelt zu werden.
Und wenn alles nichts hilft:
3. Das Weite suchen.