Mündliche Prüfungen empfinde ich als ähnlich angenehm wie ein Bad in Kakerlaken. Wenn das Ereignis gerade mal ne Viertelstunde dauert, stellt sich auch die Frage, inwiefern der Return on Investment gegeben ist – angesichts des geforderten Studiums von 36 Präsis à insgesamt rund 2’500 Seiten. Von „Empörungswellen im Social Web“ (neudeutsch: Shitstorm) bis zu detailliertem Wissen über Smartphones und Tablets ist alles dabei. Apropos Tablets: So ein iPad sei besonders geeignet für die Generation 60+, hab ich gelernt. Weil es soooo einfach zu bedienen sei. Mensch, bis ich nur schon herausgefunden habe, wie man das Licht von dem Ding ausknipst. „Das löscht dann schon von alleine ab“, dachte ich. Pustekuchen. Im Bett hab ich mich hin und her gewälzt, konnte nicht schlafen. Das gute Stück hat mir mitten ins Gesicht geleuchtet, als wolle es mich einem Verhör unterziehen. Da hab ich es geschnappt und ins nächste Zimmer verfrachtet, wo es dann weiter vor sich hin gelichtelt hat, bis der Strom alle war. Zwei Tage später fand ich auch diesen kleinen Knopf. Ich bin halt nicht Digital native, sondern Digital plaintive.
Aber zurück zur Prüfung. Ein kluger Mann namens Sturgeon meinte, 90% aller Beiträge seien Mist. Ob das auch für meine an der Prüfung vorgetragenen geistigen Ergüsse gilt? „Guten Tag, mein Name ist Natascha Juanita Mercedes Klinger-Garcia di San Alvarez Meravigliosa“. 5 Minuten sind im Trockenen. Weitere 5 Minuten dienen zur Verteidigung der Diplomarbeit. Der orange Gurt in Ju-Jitsu hilft vermutlich nicht weiter. Ich beschliesse, das Gespräch in berndeutschem Dialekt zu führen, mit gemächlichem Redefluss, unterbrochen von gewichtig zelebrierten Denkerposen. Für die restlichen 5 Minuten gedachte ich gar nicht allzu viel zu lernen. „Wer aufgepasst hat, wird kein Problem haben“, meinte Manuel, der Studienleiter. Und ich habe aufgepasst. Ausser, wenn ich gerade online für den potenziell zukünftigen Nivea Man aus unserer Klassenmitte gevotet hab. Welchem die Spassbremsen von Nivea seinen zweiten Platz dann doch nicht gegönnt haben, obwohl er mit Plastiknase, Brille, Schnauz und Theo-Waigel-Augenbrauen klar der Schönste war. Wo bin ich stehengeblieben? Ah ja… nicht viel lernen… aber hallo! Nicht viel lernen in einer Social-Media-Klasse, keine Chance – wenn du da angesichts der auf Facebook minütlich vorgebrachten Diskussion zum potenziellen Prüfungsstoff unberührt bleiben willst, brauchst du Nerven wie Vin Diesel, als er… äh, keine Ahnung. Wie Leonardo di Caprio, als er im Rumpf der sinkenden Titanic angekettet war.
„Sagen dir die Namen Granovetter, Nielsen, Dunbar, Sturgeon und Milgram etwas?“. Vier Expertenaugen sind auf mich gerichtet. Klar doch, der erste vermittelte mir einen Ferienjob auf Ibiza, wo ich mit dem Zweiten 100 Minuten an der Bar einer Poolparty verbrachte: 90 Minuten lang hab ich um seine Aufmerksamkeit gebuhlt, aber er hat mich nur mit grossen Augen angesehen. Als er sich schliesslich herbemühte, hab ich neun Minuten lang auf ihn eingeredet, während er immerzu nickte und ab und an nen Kommentar fallen liess… bis er endlich in die Gänge kam, und mir meinen Caipi binnen einer Minute mixte. Der Dritte feierte ebenfalls an der Party, als dann aber der 150. Gast eine attraktive Blondine mitbrachte, entbrannte unter den Herren eine Massenschlägerei – seither ist er nicht mehr aufgetaucht. Mit den anderen habe ich die Nummern getauscht, allerdings hat sich keiner mehr gemeldet, ausser Milgram. Der weiss nämlich, dass man über 6 Ecken eh mit jedem verbunden ist. Das hat sich gerade neulich wieder bestätigt, als ich diesen hübschen, aber leicht kommunikationsgestörten Typen kennengelernt hatte. Kurz darauf erfuhr ich, dass er hinter der Kollegin meines Kollegen her ist. Zwei Ecken also. Milgram war wohl zu pessimistisch. Ich hab mir für einen kurzen Moment überlegt, ob ihr zum Vorstudium allenfalls das Video helfen könnte, das er mir freundlicherweise hatte zukommen lassen, und das ihn nackt unter der Dusche zeigt. Hab’s dann bleiben lassen.
Aber zurück zur Prüfung. „Social media is people talking with people about things they care”, sagt Manuel. InteressiertkeinSchwein gehört somit nicht dazu. Trotzdem hab ich bestanden. Yeah! Noch wenigstens etwas Sinnvolles zum Schluss: Das war ein spannendes halbes Jahr, mit sehr viel Inhalt, Top-Dozenten und einer tollen Klasse. Social Media Management an der HWZ, kann ich wärmstens empfehlen. Bitte sharen und liken. Danke.