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Am Ende des Regenbogens

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Am Ende des Regenbogens

Die Wolken sind weg, jetzt scheint mir die Sonne scheint ins Gesicht, dieser gehässige runde Ball, wie ein Scheinwerfer bei einem Verhör. „Du Looser“, scheint sie zu lachen, während du auf dem Sofa klebst – warum kann es heute nicht regnen? Heute, wo alle auf dem See sind, in den Bergen und was der Social Media-Stream sonst noch so hergibt. Dabei bist du ja eigentlich nicht hier, sondern in deinem Buch, in einer Welt weit weg von der deinen. Nur deine Hülle liegt noch da. Jene, die morgens müde abwinkte: Wozu durch die Gegend streifen? Hinter dem Park liegt der Friedhof, dahinter Wohnblocks und noch weiter der Uetliberg, wo sich halb Zürich fröhlich zusammenrottet, Kind und Kegel, zu einem undurchdringbaren Menschenknoten, in welchem du isoliert wie eine Kugel inmitten von Quadern ziellos die Zeit totschlägst. Die Kartographen dieser Welt wissen alles, rund ist die Welt, und sie wurde gefoltert, bis ihre Zunge sich locker machte. Alle Mysterien sind jetzt fichiert, du kannst sie googeln, und weisst am Ende trotzdem nichts. Willst du nach Atlantis suchen? Viel Spass. Es gibt so viel zu tun, tausend Bilder malen, bis sie aus deinem Fenster quellen und deine Wohnung zu einem Kletterpark aus Leinwänden formen, Text an Text, dein Erguss gleich über dem „Heftig“-Post, Buchstaben in einer gesättigten Suppe und dann, unangenehm berührt zu Tode geschwiegen oder schlimmer noch, auf den Seziertisch gezerrt und entweiht. „Früher war der Sinn des Lebens, zu überleben. Heute fehlt das“, meinte ein Freund. Dafür gibt es Bucketlists, Bungee-Jumping steht zuoberst, nichts als Kosmetik über dem Nichts, lachhaft. Also, noch 10 Tritte gegen den Sandsack, das hält fit, und dann gleich mal die gute Stube mit Luftballons füllen. Was ist schon Sinn?

Neben dir liegt eine Sammlung von Gesichtern, die sich eingefunden haben, um dich stumm anzuglotzen, eine Mauer des Schweigens oder vielmehr die Wand einer Squashhalle, die dir den Ball um die Ohren schlägt, den du ihr zuwirfst. Ich bin nicht gut in Squash. Für mich ist es trotzdem eine Mauer, vielleicht eine Klagemauer, und wenn du ihr ein Zettel zusteckst, dann sagt sie nichts. Ab und an löst sich ein Stein, um zu hören, dass es dir gut geht. Wie Enkel, deren Oma im Heim in sich zusammenschimmelt, dankbar entsorgt und umgeben von jenen, die bereits verfallen und geistig nicht mehr da sind. Man fühlt sich schlecht, aber was will man tun? Es ist der Lauf der Dinge, dass Oma verrottet im Heim, es gibt keinen Platz zwischen Laptop und Sofakissen und da ist es Balsam auf die Seele, wenigstens hat man wieder mal gefragt, und sie war so nett und sagte „mir geht es gut, ich brauch ja nichts“. Da hast du’s, so fühlt es sich an, 30 Jahre zu früh zwar, gewöhn dich dran, aber du, du hast jetzt noch eine Chance, und wenn es soweit ist, wirst du nicht mehr da sein. Du willst kein Verdingkind sein, unter dem Vorwand der Barmherzigkeit gehalten wie Nutzvieh, überhaupt ich will eure Almosen nicht und auch nicht eure Verlegenheit, aber um deiner selbst willen, das ist ein grosser Anspruch, überhaupt, dass du noch einen Willen hast? Verrückt. Nein, ich verlier nicht den Verstand, ich hab zuviel davon, und irgendwie tickt er anders, friss oder stirb, was kann ich tun? Und dann ist da einer, ja einer ist da, diese Leine am Boot, an der du dich festhältst und hoffst, sie möge nicht reissen, selbst wenn er spürt, dass dein Hirn Gedanken in die Welt spuckt wie Lava, schneller als er Töne aneinanderreiht, in seinem 140 dpM-Set.

Was wäre, wenn man einfach hinausposaunte, was man denkt? Ich wachse während ich schrumpfe, nie war ich stärker als jetzt und nie schwächer. Was gibt es denn noch zu verlieren? Ich will raus. Wo, bitte, ist das Ende des Regenbogens? Gebt mir Dynamit um die Grenzen zu sprengen, überall Grenzen, wohin man sieht. Wo gibt es noch Zauber in einer entzauberten Welt? Ich bin halt kein Archäologe, kein Astronom und nein, ich will in keine komische Sekte, keine Drogen fressen und auch keine Bäume küssen, das wär komisch. In die Welt hinaus, ja das wär toll, aber gibt es dort mehr? Und sorry, ich bin grad blank und sowieso, ich fühl mich irgendwie zu klein, so allein da draussen.

Das Böse ist immer und überall.

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spionNeulich ging ein Aufschrei durch die Menge. Whatsapp gehört jetzt Facebook. Bald wissen die, wieviele Lagen unser Klopapier hat und wann wir es verwenden. Unterdessen hat das Entsetzen wieder der Trägheit Platz gemacht. Trotzdem liegt man auch mir ab und an mal in den Ohren, wie gefährlich Facebook sei und dieser Blog hier sowieso. Voll böser Menschen ist die Welt, und sie wissen, wo ich in den Ferien war, mit wem ich feiere und welche Schuhe ich mir auf Zalando angesehen hab. Das ist wahr. Man weiss auch, wo ich arbeite: Das hat mein Arbeitgeber daselbst ins Netz gestellt. Man könnte mir abpassen und mir ein Stopp-Schild über die Rübe ziehen.  

Privatsphäre ist subjektiv, jeder entscheidet selbst, was er preis gibt und trägt dafür die Verantwortung. Niemand muss online sein. Aber genau jene, die am meisten darüber wettern, surfen dann durch die Profile ihrer Freunde, ohne sich zu beteiligen – am besten anonym, mit gefaktem Namen und Bild. Möchte man unter ner Burka in die Sauna, würde man per Arschtritt hinaus spediert. Die Offenheit anderer ohne eigenes Engagement zu konsumieren ist so normal wie sich Drinks spendieren zu lassen, ohne selber je einen auszugeben. Kann man machen, ist aber irgendwie n’bisserl… naja. Meine Privatsphäre liegt in etwa so blank wie Prinz Harrys Hintern in den Medien. Trotzdem hätt ich noch Steigerungspotenzial. Ich könnte über meine sexuellen Vorlieben plaudern oder mich auf dem Gipfel meiner Wut filmen. Ich würde polarisieren, die Zugriffe in die Höhe schnellen – ich könnt endlich etwas Kohle machen mit dem Social Media-Zeugs.

Der Feind lauert nicht nur online: Die Merkel kann sich noch nicht mal per Telefon ne Pizza bestellen, ohne dass die Amerikaner über den Belag Bescheid wissen. Apropos Merkel: Ich such sie auf Facebook und werde rasch fündig: Auf dem Profilbild zieht sie ein Gesicht, als hätte sie ihre Pizza mit Zitrone bestellt. Oh je. Falsches Profil. Merke: Auch jemand anders kann was über dich posten. Dann war neulich noch der Fall jenes Herrn, der sich auf Facebook freute, die Motorfahrzeugkontrolle trotz unerlaubter Distanzscheiben passiert zu haben. Ich hätte mal behauptet, das Problem ist hier nicht Social Media, sondern Asocial Friends – kurz, der Typ hat mindestens ein Arschloch unter seinen Freunden. Verräter gab es schon vor 2000 Jahren. Man lese die Bibel.

„Wenn deine politische Gesinnung bekannt ist, kriegst du vielleicht einen Job nicht“. Nun, ich bin ja kein Extremist. Etwas grün vielleicht, aber nicht mal sportlich genug, um mich im Joggeli abzuseilen. Hierzulande werden auch keine Bücher verbrannt. Das bleibt hoffentlich so, wenn alle fleissig weiter ihre Meinung äussern und damit zu einer Kultur des offenen Austauschs beitragen. Ansonsten stehen die politischen Kräfte in einem Verhältnis von etwa 50:50, das weiss man spätestens seit der letzten Abstimmung. Wer dann auf dem Land keinen Job findet, hat ja in der Stadt beste Chancen.

Ehrlich, ich habs mir zu Herzen genommen und nachgedacht. Dutroux fand seine Opfer ganz ohne Facebook, Auch Stalker gab’s lange vor den Neuen Medien. Mobbing braucht kein Internet, ein eigenes Profil schon gar nicht. Sicher, die Leser könnten meine Schwächen analysieren. Aber ich vermute, Bruce Darnell wäre kaum gross betroffen vom Vorwurf, er breche schnell in Tränen aus. Selbstbewusstsein trägt kein Pokerface. Ohnehin ist es viel reizvoller, die Schwächen jener aufzudecken, die sie zu verbergen suchen. Oder spielt jemand von euch Memory mit den Bildchen nach oben?

Das Internet birgt Gefahren, keine Frage. Die Mikrowelle tendenziell auch, trotzdem kann sie nützlich sein, solange man keine Katze reinsteckt. Mir träumt, der Mensch bräuchte es eines Tages nicht mehr, wegen jedwedem Mist über andere zu richten. Das ist Utopie, ich weiss. Ich hab aber auch echt keinen Bock, mich vor der Welt zu verschliessen, weil jeder Freund ein Feind sein könnte. Latentes Misstrauen heisst, Enttäuschungen vorweg zu nehmen, stets auf der Hut zu sein. Ich setze weiterhin auf Vertrauen. Und nenn das Freiheit.

Drum prüfe, was ein Social Media Manager werden soll.

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Mündliche Prüfungen empfinde ich als ähnlich angenehm wie ein Bad in Kakerlaken. Wenn das Ereignis gerade mal ne Viertelstunde dauert, stellt sich auch die Frage, inwiefern der Return on Investment gegeben ist – angesichts des geforderten Studiums von 36 Präsis à insgesamt rund 2’500 Seiten. Von „Empörungswellen im Social Web“ (neudeutsch: Shitstorm) bis zu detailliertem Wissen über Smartphones und Tablets ist alles dabei. Apropos Tablets: So ein iPad sei besonders geeignet für die Generation 60+, hab ich gelernt. Weil es soooo einfach zu bedienen sei. Mensch, bis ich nur schon herausgefunden habe, wie man das Licht von dem Ding ausknipst. „Das löscht dann schon von alleine ab“, dachte ich. Pustekuchen. Im Bett hab ich mich hin und her gewälzt, konnte nicht schlafen. Das gute Stück hat mir mitten ins Gesicht geleuchtet, als wolle es mich einem Verhör unterziehen. Da hab ich es geschnappt und ins nächste Zimmer verfrachtet, wo es dann weiter vor sich hin gelichtelt hat, bis der Strom alle war. Zwei Tage später fand ich auch diesen kleinen Knopf. Ich bin halt nicht Digital native, sondern Digital plaintive.

Aber zurück zur Prüfung. Ein kluger Mann namens Sturgeon meinte, 90% aller Beiträge seien Mist. Ob das auch für meine an der Prüfung vorgetragenen geistigen Ergüsse gilt? „Guten Tag, mein Name ist Natascha Juanita Mercedes Klinger-Garcia di San Alvarez Meravigliosa“. 5 Minuten sind im Trockenen. Weitere 5 Minuten dienen zur Verteidigung der Diplomarbeit. Der orange Gurt in Ju-Jitsu hilft vermutlich nicht weiter. Ich beschliesse, das Gespräch in berndeutschem Dialekt zu führen, mit gemächlichem Redefluss, unterbrochen von gewichtig zelebrierten Denkerposen. Für die restlichen 5 Minuten gedachte ich gar nicht allzu viel zu lernen. „Wer aufgepasst hat, wird kein Problem haben“, meinte Manuel, der Studienleiter. Und ich habe aufgepasst. Ausser, wenn ich gerade online für den potenziell zukünftigen Nivea Man aus unserer Klassenmitte gevotet hab. Welchem die Spassbremsen von Nivea seinen zweiten Platz dann doch nicht gegönnt haben, obwohl er mit Plastiknase, Brille, Schnauz und Theo-Waigel-Augenbrauen klar der Schönste war.  Wo bin ich stehengeblieben? Ah ja… nicht viel lernen… aber hallo! Nicht viel lernen in einer Social-Media-Klasse, keine Chance – wenn du da angesichts der auf Facebook minütlich vorgebrachten Diskussion zum potenziellen Prüfungsstoff unberührt bleiben willst, brauchst du Nerven wie Vin Diesel, als er… äh, keine Ahnung. Wie Leonardo di Caprio, als er im Rumpf der sinkenden Titanic angekettet war.

„Sagen dir die Namen Granovetter, Nielsen, Dunbar, Sturgeon und Milgram  etwas?“. Vier Expertenaugen sind auf mich gerichtet. Klar doch, der erste vermittelte mir einen Ferienjob auf Ibiza, wo ich mit dem Zweiten 100 Minuten an der Bar einer Poolparty verbrachte: 90 Minuten lang hab ich um seine Aufmerksamkeit gebuhlt, aber er hat mich nur mit grossen Augen angesehen. Als er sich schliesslich herbemühte, hab ich neun Minuten lang auf ihn eingeredet, während er immerzu nickte und ab und an nen Kommentar fallen liess… bis er endlich in die Gänge kam, und mir meinen Caipi binnen einer Minute mixte. Der Dritte feierte ebenfalls an der Party, als dann aber der 150. Gast eine attraktive Blondine mitbrachte, entbrannte unter den Herren eine Massenschlägerei – seither ist er nicht mehr aufgetaucht. Mit den anderen habe ich die Nummern getauscht, allerdings hat sich keiner mehr gemeldet, ausser Milgram. Der weiss nämlich, dass man über 6 Ecken eh mit jedem verbunden ist. Das hat sich gerade neulich wieder bestätigt, als ich diesen hübschen, aber leicht kommunikationsgestörten Typen kennengelernt hatte. Kurz darauf erfuhr ich, dass er hinter der Kollegin meines Kollegen her ist. Zwei Ecken also. Milgram war wohl zu pessimistisch. Ich hab mir für einen kurzen Moment überlegt, ob ihr zum Vorstudium allenfalls das Video helfen könnte, das er mir freundlicherweise hatte zukommen lassen, und das ihn nackt unter der Dusche zeigt. Hab’s dann bleiben lassen.

Aber zurück zur Prüfung. „Social media is people talking with people about things they care”, sagt Manuel. InteressiertkeinSchwein gehört somit nicht dazu. Trotzdem hab ich bestanden. Yeah! Noch wenigstens etwas Sinnvolles zum Schluss: Das war ein spannendes halbes Jahr, mit sehr viel Inhalt, Top-Dozenten und einer tollen Klasse. Social Media Management an der HWZ, kann ich wärmstens empfehlen. Bitte sharen und liken. Danke.