Bier im Ausschnitt, Schlamm an den Schuhen, Wanzen im Haus. Ich bin kampferprobt. So blieb ich auch gelassen, als mir mein Date jüngst versehentlich Wasser über den Kopf goss. Jeder hat mal einen schlechten Tag. Klar, er wirkte von Anfang an etwas linkisch, aber bin ich perfekt? Das Bier jedenfalls hielt er stets souverän in der Hand und auch das Fondue schaffte er, ohne den Tisch in Brand zu setzen.
Ein Absacker auf dem Balkon, dunkle Nebelschwaden ziehen durch die Nacht. Filigran schimmern die skelettösen Gläser im Mondlicht. Ich drehe mich um, kawumm, schon hat er den schwarzen Wodka mit Preiselbeersaft zu Boden gefegt. Bringt ihn die Kälte zum Schlottern? Nein, denn wenig später – die Fenster sind bereits geschlossen – begiesst er mein Sofa mit dem Wasser, das ich ihm gereicht hab. Parkinson hat er nicht, ist es ein unbestimmter Drang, sein Gebiet zu markieren? „Wir müssen auf 2000 Meter sein“, entfährt es ihm angesichts der Aussicht vom 10. Stock. Ob in dieser Höhe wohl Bergsteiger anzutreffen seien, ausgehungert von ihrem langen Marsch? Er springt in die Küche, reisst einen Schrank auf, und krallt sich eine Tüte Reis. Die Körner verstreuen sich hell plingelnd über die Bodenplatten. Vorausschauend genug, nicht auch noch den Teppich mit Reis zu bepflanzen, schnappt er eine Packung Pastetlifüllung, und bringt sie mit ins Wohnzimmer – als Prophylaxe für den Fall, dass die hungrigen Alpinisten in kannibalistischer Absicht über uns herfallen sollten. Auch ein neues Glas Wasser hat er dabei; nicht lange indes, spätestens beim zweiten Schluck ist der Teppich nass. Hier Reis zu pflanzen hätte klappen können.
Nun knurrt sein Magen, er lechzt nach etwas Essbarem. Während er sich frisch macht, stelle ich einige Knabbereien bereit. Auch ich husche noch rasch ins Bad. Mein Blick fällt auf ein braunes Kügelchen, das neben dem Klo auf dem Boden liegt. Es erinnert an eine Hydrokultur. Meine einzige, liebe Pflanze, die meine Nachlässigkeit punkto Giessen mit stoischem Gleichmut erträgt, steckt ihre Wurzeln in Erde. Einer göttlichen Eingebung folgend, zupfe ich ein Klopapier, und nehme das Kügelchen auf. Die Konsistenz ist weich, es handelt sich nicht um Hydrokultur!? Ob man bei der Partnersuche erwähnen sollte, dass zielgerichtetes Defäkieren Bedingung sei? Klar, shit happens – auch ich habe dem Mann meiner Träume schon auf den Balkon gekotzt, jedenfalls hat er das gesagt, so genau weiss ich’s nicht mehr. Aber dieser Bursche hier ist stocknüchtern. Ich hab mich noch nicht erholt, da klopft es an die Türe. „Möchtest du auch etwas von dem Essen, oder kann ich anfangen?“. „Fang an“, seufze ich. Draussen erklingt ein Jauchzen: „YESSS!!!“. Ich bin mir sicher, er macht dazu die Pommesgabel. Kann ich flüchten, wo bitte ist das Fenster? Ach blöd. Ich wohne ja im 10. Stock.
Eben giesst er sich ein Glas Wasser über die Hose. Er sieht aus, als wäre er inkontinent und braucht jetzt einen Fön, mit dem er sein bestes Stück beheizt. Ein Glück, habe ich keine Kerzen angezündet. Er hätte mir die Hütte abgefackelt, hundert Pro. „Nimmst du auch etwas?“, fragt er, sein Blick ergänzt: „Bitte nicht“. Er krümelt sich die Butter in den Schritt. Um seinen Futterneid zu beruhigen, reiche ich Pouletflügeli mit Salat nach. „YESSS!!“ jubelt er. Den Mousse au chocolat lassen wir heute mal aus. Er stürzt sich auf seinen Teller wie ein Gruppe Piranhas auf eine blutige Kuh. Vor meinem geistigen Auge verschwimmt die Gestalt, wird grün und breit. Ein Troll, in meinem Wohnzimmer. Ich wünsche ihm einen Gueten, den er ja zweifelsfrei hat. Jetzt ist es amtlich: Ich bin eine Königin der Diplomatie und Selbstkontrolle. Selbst ohne Manieren und Motorik muss man erst noch neben die Schüssel zielen, ehe meine Nachsicht ein Ende findet. Und doch: Die Einen scheissen auf mich, die Anderen in meine Hütte. Was genau mache ich eigentlich falsch?? Dem mampfenden Troll fällt eben der Käse aus dem Gesicht.
Ermattet lässt er sich aufs Sofa fallen, während ich sauber mache. Der Reis liegt noch da. Nach einem Staubsauger hat sich der Mann nicht erkundigt, ebenso wenig wie nach einem Lappen. Wie ich zurückkehre, schnarcht er friedlich vor sich hin. Da kann er wenigstens keinen Schaden anrichten. Jetzt brauche brauche ich erst mal eine Zigarette. Es ist ja nicht nur ein Scheiss-Date, sondern auch eine gestorbene Hoffnung. Der Mann hat schlicht verkackt. Ich hab noch nicht zu Ende geraucht, da steht er zerknittert auf dem Balkon. Ich mach mir Sorgen, der Armleuchter könnte von der Brüstung fallen. Er blinzelt aus seinen verschlafenen Augen. „Ich geh jetzt heim“. YESSSSS!!!!