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Kehlkopfentzündung im ÖV

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Kehlkopfentzündung im ÖV

Die Schweizer horten ihr Gold nicht auf der Bank, sondern im Mund. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, heisst es. Das ist eine ernstzunehmende Angelegenheit. Anscheinend. Unlängst jedenfalls monierte die Kolumnistin einer Schweizer Boulevard-Gratiszeitung (ist das ein Pleonasmus?), ihrer Freundin sei gar Schröckliches widerfahren. Sie habe sich im ÖV, auf dem Fensterplatz sitzend, über die Banknachbarin hinweg verrenkt, um den Türknopf zu drücken. Daraufhin habe diese – man will es kaum glauben – gefragt: „Müend sie use?“. Wuhuuuu.

Dieses Ungemach lässt in mir wieder mal eine oft gestellte Frage aufkeimen: Kann es sein, dass die Mehrheit der SchweizerInnen heutzutage an einer chronischen Kehlkopfentzündung oder allenfalls an einer Kiefersperre leidet, die das Sprechen erschwert? Besteht vielleicht die Angst, der Output von Buchstaben aus dem Sprechapparat werde nach Kilobyte abgerechnet? Eine Marktlücke – Flatrate fürs Sprechen. Oder ist es frei nach Mani Matter „will sie Hemmige hei“? Anders ist für mich das fassungslose Entsetzen nicht zu erklären, das mir entgegenschwappt, wenn ich ein Zugabteil mit dem Wort „Grüezi“ betrete. Huh! Es spricht! Auch habe ich schon Blogbeiträge von Leuten gelesen, die ihr Grauen schilderten, welches sie erfasst, wenn ein älterer Mensch das Wort an sie richtet. Die Alten wollen dann erzählen, das weiss man ja. Und dann müsste man sich am Ende der vielleicht durchaus interessanten Geschichte eines Individuums mit Lebenserfahrung zuwenden. Oder – Gott bewahre – einem einsamen Menschen zu zwei, drei Minuten Kontakt verhelfen. Dabei könnte einem im eben noch konsumierten Käseblatt glatt die Nachricht von Kim Kardashians Dellen am Arsch entgehen. Schlimm. Ganz schlimm.

„Gesundheit“ darf man auch nicht mehr sagen, da hat der gute Herr Knigge der lästigen Wünscherei ein Ende gesetzt. Und wehe, jemand stellt die saublöde Frage „Ist hier noch frei?“. Es ist unhöflich, höflich zu sein. Der Mensch im ÖV soll seine Existenz gnädigst nach bestem Wissen und Gewissen eindämmen: Wenn er sich schon nicht unsichtbar machen kann, dann soll er bitte wenigstens schweigen und seine Blicke an einem nicht-menschlichen Objekt fixieren. By the way – nicht nur im ÖV. Frag mal jemanden an der Kasse hinter dir, ob er vorrücken möchte, weil er oder sie ja nur so wenig hat, während du einen ganzen Wägeli-Inhalt auf das Rollband stapelst. Die meisten schütteln völlig überrumpelt den Kopf. Sorry Leute, was läuft mit euch?

Für mich ist es jedenfalls schwer nachvollziehbar, dass es Menschen gibt, die sich lieber akrobatisch verrenken, anstatt zu sagen: „Äxgüsi, ich muss raus – könnten Sie vielleicht drücken?“. Nein, sie brennen dir mit ihren Blicken lieber Löcher in die Schläfe oder rammen dir während ihrer Akrobatikeinlage den Ellbogen gegen die Nase, auf dass du ihre Absichten gefälligst konversationsfrei erahnen mögest. „Äxgüsi“ – nur im äussersten Notfall – ist zu einem heiseren Grunzen verkommen. Wenn wir so weitermachen, sind uns die Bonobos am Ende an Sozialkompetenzen überlegen. Möglicherweise war die Frage „Müend Sie use?“ durchaus süffisant gemeint.  Also: Wann gibt’s endlich Schleudersitze für kommunikationsgehemmte Fenstersitzer?

 

Die Kolumne und die Antwort im Original.

https://www.blickamabend.ch/kolumnen/abgefahren/wer-wird-millionaer-id6597434.html

https://www.blickamabend.ch/kolumnen/abgefahren/kiefersperre-id6613666.html

PS: Sollte Katja Walder je im Migros hinter mir stehen, ich lass sie vor. Selbst wenn ich nur ein Vanille-Glacé habe, und sie ein ganzes Wägeli voll. Promised!

Der Acker liegt brach.

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Der Acker liegt brach.

Ist ja lustig, irgendwie. Ich steck grad mitten, naja, sagen wir am Anfang meiner Diplomarbeit. Da geh ich der Frage nach, wie sich das digitale Zeitalter aufs Gemüt auswirkt. Neulich vermeldete der Quell allen intellektuellen Wissens aka 20Minuten, es gäbe eine Studie. Demnach sollen Menschen, die öfters als 8mal täglich ihre Social-Media-Kanäle checken, wesentlich stärker depressionsgefährdet sein als jene, die seltener online gehen. Nun, ich bin den ganzen Tag auf Facebook. Rein beruflich versteht sich 😉 Und ehrlich gesagt, wer mich kennt, weiss: Ich dampfe auch wie Sau. Und zwar nicht vom Sport.

Anyway. Nun weiss ich sehr gut, was gegen miese Stimmungslagen hilft: Ein zuverlässiges soziales Netz, Bewegung, freie Natur, Hoffnung, Humor. Für mich jedenfalls ist das die perfekte Zauberformel. Habe ich mir all das gegönnt? Nicht nur aus Anlass besagten Artikels erlaube ich mir einen kleinen Rückblick.

Die letzten paar Jahre hab ich sehr viel Zeit damit verbracht, Menschen verstehen zu wollen oder auf Menschen zu warten. Stun-den-lang. Menschen verstehen ist etwas Wunderbares. Einem Menschen zuhören zu dürfen und zuzusehen, wie er mit einem besseren Gefühl davonzieht, ist etwas vom Besten überhaupt. Aber manche der Menschen in meiner nächsten Nähe hielten mich auf Stand-by, während sie anderweitig engagiert waren: „Ich chume gli“. Ich wollte raus, einen Krimi in den Bergen enträtseln (Tatort Jungfrau). Mit dem E-Bike durch die Gegend ratzen (ja sorry, ich komm sonst einfach nicht den Berg hoch), Farben in den Himmel werfen, Gespenster jagen, mitten in der Landschaft in der Musik aufgehen, Reisen. Dinge, auf die ich mich gefreut hab, wie ein kleines Kind. Das Resultat? Ich habe gelernt, mich nicht mehr zu freuen. Warum? Sagen wir’s mal so: Es kann der Brävste nicht in Frieden leben, wenn der Nachbar ihn nicht lässt.

Nach einer guten Weile von „ich freu mich besser nicht mehr“, kam ich irgendwann morgens kaum noch aus dem Bett. Motivation auf dem Nullpunkt, dauermüde, und ich rastete öfter mal aus. Eine Fremde begrüsste mich morgens im Spiegel und heftete sich an meine Fersen. Ein neues Leben musste her. Die Krux dabei: Bewegung und die freie Natur kannst du dir holen. Für die soziale Komponente brauchst du Menschen. Versteht mich nicht falsch, ich hab ein paar tolle Menschen, die ich liebe. Heiss und innig. Diejenigen, die’s betrifft, wissen es. Hoffentlich. Die meisten sind recht busy, wie das in Zürich halt so ist. Falls sie überhaupt in Zürich sind. Vor allem am Weekend. Da verbringen die nämlich Zeit mit dem Freund oder der Freundin. Oder sie hängen selber in den Seilen, meilenweit von mir entfernt. Oder das Treffen mit mir wird ihnen verboten (weil die Freundin denkt, ich werf mich jetzt plötzlich auf meinen langjährigen best friend). Die Treffen sind oft an Konditionen geknüpft: Das Programm mitmachen, das auch ohne mich geplant gewesen wäre, und vielleicht so gar nicht meins ist. Irgendwo sitzen (ich sitz ja schon die ganze Woche!?). Auf WhatsApp und Facebook werden eifrig Pläne geschmiedet. Kurz vorher sagt mir die Generation unverbindlich ab. Eins ums andere Mal. Und weil man sich auf nichts mehr verlassen kann, freu ich mich doch mal weiter auf nichts mehr. Das ist eine Erscheinung des aktuellen Zeitgeists, kein böser Wille. Handy, ein Klick, das Problem ist erledigt. „Bin zu müde“, „hab mich im Datum geirrt“ oder vielleicht auch „eigentlich will ich gar nicht“. Digitales Zeitalter halt.

Dann also: Tinder. Ein praktisches Tool. Da lernst du tonnenweise Leute kennen. Passt, rechts wischen, passt nicht, links wischen. Wie im Migros. Zig verschiedene Produkte, eins davon legst du in den Warenkorb. Sind alle beteiligten Parteien im Warenkorb, wird der Konsum angebahnt. Was dann doch nicht vernascht werden will, hat ein kurzes Verfalldatum: „Treffen?“. „Bin schon im Pyjama“. „Soll ich kommen?“. Feel free, aber ohne mich. Manches schimmelt ein bisschen vor sich hin und wird ignoriert. Wer sucht schon Kontakt mit der Kartoffel im Kühlschrank, wenn er Pommes Duchesse haben kann? Andere Produkte sind resistenter, ich zum Beispiel bin kraft meiner Geduld ein über Monate haltbares Produkt, das man auch gut warm halten kann. Wenn die Pommes Duchesse grad alle sind, kauen sie auf dir herum wie auf einem faden Kaugummi, in der Hoffnung, dich bald ausspucken zu können. Das perfekte Umfeld also für fröhlich gestimmte Menschen, um noch fröhlicher zu werden. Sozusagen das gleiche Programm wie zuvor, in neuer Besetzung. Es verbindet dich auch in idealer Weise mit anderen Single-Kollegen: „Was machst heute?“ „Tinder-Date – morgen grad noch eins. Haha“.

Am Ende hast du Kontakt zu zahllosen Menschen und sitzt am Weekend doch allein daheim. Ausser, Apéro und Party ist angesagt. Kommst immer noch nicht aus den Federn und in die Gänge. Willst dich melden, aber kannst irgendwie nicht. Solltest schon längst diese und jenen besuchen, aber: „i mog eifach nid“. Dampfst wie eine Lok, daheim, sozusagen paralysiert. Checkst dein Handy alle paar Minuten. Fragst dich, ob du selbst asozial bist und es einfach nicht merkst. Man muss auch allein klarkommen. Ich glaube aber, damit ist „ohne Partner“ gemeint, und nicht, „ohne irgendjemanden“. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Obwohl ich meeega gern was allein mache. Wenn ich darf. Nicht, wenn ich dazu gezwungen bin.

Wenn man auf sich selbst zurückgeworfen ist, merkt man bald, was wichtig ist. Wohin es gehen soll, weil es dahin gehen muss. Ich meine, hey, ich kann mich locker über eine Absage aufregen. Und zwar 5 Stunden, bevor ich sie überhaupt erhalte. Mein Bauchgefühl redet mit mir. Ich muss nur die Lauscher aufsperren. Und dann: Ich will niemand mehr in meinem Leben, der mich warm haltet. Niemanden, der an mir als Person keinerlei Interesse hat. Niemanden, der mich ignoriert. Ich will nicht tun, was andere wollen, wenn das die Bedingung ist, dass man überhaupt etwas zusammen macht. Will nicht an mir herumzerren lassen, kein schlechtes Gewissen. Nicht immer die sein, die auf die anderen zugeht. Will kein Mitleid, kein drittes Rad am Wagen sein, keine Almosen entgegennehmen. Ich will auch keine Erwartungen erfüllen und keine Leute sehen, die etwas anderes wollen als Freundschaft – ausser, es wäre gegenseitig. Nur noch Menschen, die mich mögen, um meiner selbst willen. Auch wenn ich unmöglich bin, in Tränen ausbreche, den Ton verfehle, mich gegen Ratschläge wehre. Weil sie wissen, wer ich bin.

Ich nehm mich selber an der Nase, will ehrlich sein, ohne Wenn und Aber. Nicht undiplomatisch, aber aufrichtig. Auch wenn es mir und dem Gegenüber weh tut. Das sind meine Werte, seit jeher. Manchmal hab ich gezögert, war zu diplomatisch, wollte nicht verletzen. Was am Ende dann ja doch verletzt. Erinnert mich daran, solltet ihr mich beim Kneifen entdecken.

Ihr wisst wohl, was das bedeutet? Die Leute, die dann noch übrig bleiben, kann ich an einer Hand abzählen. Nachdem ich mir ein paar Finger abgehackt habe. Nun, auf einem unbepflanzten Acker lässt sich prima säen. Dass da etwas Nahrhaftes wächst, kann ich jetzt schon sehen. Die neue Saison hat begonnen. Und all jene, die vorher schon da waren, und es weiter bleiben: Ihr seid die Besten.

Alles andere ist Beilage.

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Alles andere ist Beilage.

„Uii, was isch denn das für en Gschmack?“. Die kleine Dampfwolke, nach feinstem Eierlikör-Liquid duftend, war eine echte Bereicherung für dieses verqualmte Fumoir im Club, aber der Kerl neben mir rollte mit den Augen. „Hättsch lieber Salami-Duft?“, fragte ich ihn. Im Halbdunkeln sah ich, wie die Farbe aus dem Gesicht des Mannes wich. „Salami!?“. Er rang nach Atem, selbst der Strick-Fuchs auf seiner Pudelmütze zitterte. „Würsch du öbbe Tierli töte?“. „Du, das ist nur Lebensmittelaroma. Man stopft keine echte Salami in die E-Zigarette“, wich ich aus, und fügte an: „Du scheint ein überzeugter Vegetarier zu sein“. „Vegetarier???“. Jetzt war der Fuchs ganz aus dem Häuschen, spuckte Gift und Galle. „Vegetarier sind Mörder! Die essen die Menstruationsabfälle von Hühnern!!!“.

Nichts gegen Vegetarier und Veganer, sie haben meinen Respekt und ich ein schlechtes Gewissen. Aber äxgüsi, so ein saftiges Cordon-Bleu ist halt trotzdem lecker, ach ja, und ich liiiiiiiebe Fondue… „Welches Tier trinkt denn im Erwachsenenalter noch Milch? Das ist doch völlig abnorm“, ereiferte sich jetzt der Fuchs. Mochte er auch recht haben und der Blitz mich armen Sünder treffen, eine moralische Standpauke würde an meiner Fleischeslust so schnell nichts ändern. Also wandte ich mich zum Gehen, denn eben sah ich meinen Liebsten vorbeistreifen, gleich einem rettenden Boot, das mich Gestrandete von der Insel mit dem tollwütigen Fuchs retten sollte. Was aber tut das Boot? Nein! Es bleibt stehen, und mischt sich ins Gespräch. Toll. Ich ergriff die Flucht.

„Ich hab ihm gesagt, wir leben seit 7 Jahren vegan“, schmunzelte mein Herz, als er daher schlenderte. „Das wird ihn gefreut haben“, seufzte ich. Der Schwindel wäre nicht meins gewesen, aber jetzt, wo er ausgesprochen war, versprach er mein Leben an diesem Abend einfacher zu machen. „Weisst du ausserdem, wie lange der schon vegan lebt? Zwei Wochen!“. Der Fuchs hatte die Witterung aufgenommen und strahlte mich jetzt auf der Tanzfläche an: „So schön, dass ihr vegan seid. Seit 7 Jahren? Toll!“. Ich lächelte kläglich und versuchte, mit einem Ausfallschritt in der Menge zu verschwinden. „Nein Mann, ich will das nicht hörn. Ich will noch n’bisschen tanzen“. Er heftete sich an meine Fersen wie ein Raubtier, das Fleisch gewittert hat. Nun folgte er uns ins Fumoir, um die Dankbarkeit über seine Erleuchtung und neue Hasstiraden über das miese Gesindel von Fleischfressern auf unsere Häupter regnen zu lassen. „Dir fehlt es am psychologischen Geschick“, versuchte ich der Litanei ein Ende zu setzen, „du wirst niemanden überzeugen, indem du ihn beschimpfst. Geht’s vielleicht auch etwas weniger extrem?“. Allmählich hätte ich doch wenigstens gern seine Fuchsmütze durch den Fleischwolf gedreht. Mein Freund stand auf und wandte sich zum Gehen. „Also ich esse sehr gerne Fleisch“, grinste er im Vorbeigehen. Der Fuchs, eben noch in Euphorie darüber, Gleichgesinnte entdeckt zu haben, drohte nun in tiefste Tiefen zu stürzen. Das Leben wich ihm aus dem Antlitz. „Nein,“, flüsterte er heiser, „das tut er nicht, oder?“. Sein Weltbild stand auf dem Spiel, und ich hatte keine Lust auf Dramen und endlose Diskussionen. „Das würde er niiiie tun. Er will dich nur ärgern“. „Ich hab Hunger, ich hol mir mal was zu essen“: Mein Freund zog eben wieder vorbei und steuerte zum einzigen Food-Stand in diesem Lokal, mit nur einem einzigen Angebot: Croque Monsieur. Mit Schinken.

Schminktipps.

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kinopoisk.ruWir sassen in entspannter Runde im Sitzungszimmer und suchten nach Themen. Das Ansinnen war es, unser Geschäftsfeld einer breiten Öffentlichkeit schmackhaft zu machen. Da hörte ich es: „Wie wär’s mit Schminktipps?“. Der Blick richtete sich auf mich. Keine Ahnung warum. Ich bin gänzlich ungeeignet, dieses Thema dem Laien näher zu bringen: Ich schminke mich mit der Spritzpistole. Sowieso kann ich nur mich selbst anmalen, wie andere aussehen, ist mir leidlich egal. Manch ein kurrliges Haus überrascht mit komfortablen Innenräumen. Das habe ich natürlich nicht gesagt, denn der Mann ist mir sympathisch. Ich bin sicher, er hat es nicht böse gemeint.

Ich nehme aber die Herausforderung an: Ich selber hätte ja gerne lange, volle Wimpern. Also hab ich es versucht. Sogar mit künstlichen Wimpern. Erst kleben sie schräg auf dem Augendeckel, dann gerät der Leim ins Auge, du siehst aus wie Nosferatu nach zehn Gläsern Schnaps. Nur mit viel Geduld gelang es mir. Dummerweise waren die Wimpern am Ende des Abends nicht mehr da. Ich habe mich wochenlang gefragt, wo sie wohl überall gehangen haben, bevor sie der Schwerkraft erlagen – auf meiner Nase? Wie der Mann mit der Nudel bei Loriot? Ich rate davon ab.

Lenken wir also die Aufmerksamkeit auf den Mund. Volle Lippen kann man schlecht schminken. Im Ernst, ich habe es versucht, und zwar mit Permanent Make-up. Nun ziert mich ein schwarzer Rand, seit 10 Jahren schon. Ich bin sicher, wenn die Archäologen auf meine Überreste stossen, ist allein der Rand noch da. Immerhin ist er nicht grün, das birgt im Alter den Hauch des Kompostierbaren. Aufspritzen kann man, wenn aussehen will wie ein Napoleon-Lippfisch zur Paarungszeit. Ich empfehle, täglich mehrfach eine halbe Stunde lang Didgeridoo spielen. Das hilft. Ehrlich. Wer keins hat: Ein Staubsauger tut’s auch. Einfach voll aufdrehen.

Kehren wir nochmals zu den Spiegeln der Seele zurück: Marilyn Monroe blinzelte sich zum Sexsymbol, allein mit ihrem Schlafzimmerblick. Natürlich sind nicht alle von der Natur dergestalt gesegnet. Macht nichts: Haltet euch eine Mücke als Haustier! Je ein Stich täglich in jedes Lid, und die Männer liegen euch zu Füssen.

Und jetzt im Ernst: Monet, Gauguin, Picasso. Malt doch, wie ihr wollt. Marusha hat es mit grünen Augenbrauen weit gebracht. Who cares?

Beistand kommt von „beistehen“. Eigentlich.

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mutterkind„Gotti Natascha, willsch du uf dä Wolche tanze?“. Die kleine Melanie blinzelt mich munter an. Ich male mir aus, wie ich federleicht auf rosa Wolken hüpfe: „Au jaaa!“. „Dann musst du sterben, so wie Papi“. Seit Thomas den Kampf gegen den Krebs verloren hat, ist die 3-jährige voller Fragen. Warum ist ihr Papi im Himmel und der von Gotti Natascha nicht? Geht es ihm gut? Was macht er dort? Die Angst, deine Worte nicht mit genügend Bedacht zu wählen, schwingt mit, wenn dich die Kleine mit grossen Augen ansieht. Und mehr noch: Wie begegnest du der Frau, die den allerwichtigsten Menschen verloren hat?

„Wir möchten Ihnen unser herzliches Beileid aussprechen“. Thomas liegt seit knapp drei Wochen unter der Erde, schon flattert der Brief einer Behörde ins Haus, die sich dem Schutze jener verschrieben hat, die sich nicht selber wehren können. Einen Beistand wollen sie für die kleine Melanie. Grund ist ein Generalverdacht, die Mutter könnte den Erbteil der kleinen Halbwaisen auf den Kopf hauen. Der Brief erstickt in einer Sprache, so steif wie der Tote daselbst. Feinstes Beamtendeutsch eben. Offenbar eilt die Angelegenheit, es könnte ja sein, dass sich die Trauernde ein ausgedehntes Frust-Shopping gönnt. Fragt sich nur womit – wo doch die Banken im Todesfall erst mal alle Konten sperren. Trotzdem. Die Witwe muss antraben – mitzubringen ist ein Wald an Dokumenten, welche aufzutreiben einer Schnitzeljagd gleicht.

So sitzen wir also zu viert in einem kahlen Sitzungszimmer. In der Luft liegt ein grünlicher Hauch von Amtsschimmel. Herr B. rückt seinen Zwicker zurecht und beeilt sich, in millimetergenau sortierten Worten die Trauernde erneut seiner Anteilnahme zu versichern. Woran Thomas denn gestorben sei, will er wissen, wie das Kind reagiere, ob es ein soziales Umfeld gibt. Und vor allem: „Was ist an Vermögen da?“. Mariannes Mimik ist unbewegt, während die intimen Fragen sie durchbohren. Sie kennt die Antwort nicht. Im Herzen ist das auch nicht ihre grösste Sorge. Eine wortkarge Dame notiert alles haarklein auf einem karierten Block. Nun zückt Herr B. das vor ihm liegende ZGB, blättert eifrig und schlägt uns die Paragraphen um die Ohren. „Da sie ihren eigenen, wie auch den Erbanteil ihrer Tochter verwalten, befinden Sie sich in einer Interessenskollision. Wie Sie sicher wissen, sind wir gemäss §3XY ZGB gesetzlich verpflichtet, Ihre Tochter in Bezug auf ihre Interessen zu vertreten“. Der Mann ist freundlich, trotzdem liegt keine Wärme in seinen Worten. Der Juristenslang verwirrt mehr, als er klärt. Mir schwirrt der Kopf: Bin ich in Kafkas Schloss oder in einem Sketch von Loriot?

Von der Wiege bis zur Bahre… Für all die Ämter, Versicherungen und Banken sind mehr Formulare auszufüllen als der Friedhof Grabsteine hat. Dafür gibt‘s jedes Mal eine Totenbescheinigung, natürlich nicht gratis, damit Marianne auch ja nicht vergisst, dass ihr Schatz wirklich tot ist. Jetzt will Herr B. wissen, ob sie denn die Finanzfirma ihres Mannes weiterführt, oder ob sie veräussern will. Das ist ja auch das Erste, was man sich so überlegt, nachdem man seine grosse Liebe beerdigt hat – so in den 5 Minuten zwischen der Wahl des Grabsteins und dem Seriendruck von Trauerkarten. Ach ja. Die kleine Melanie ist auch noch da und braucht ihre Mutter. Jetzt ganz besonders. „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht“, antwortet Marianne müde. „Ich empfehle, die Tochter auszuzahlen“, macht Herr B. unverdrossen weiter, „sie können dazu auch ein Darlehen aufnehmen“. Schulden machen? Wem ist damit denn gedient? „Ich will ihre Gefühle nicht verletzen“, fährt er fort , „aber vielleicht lernen Sie irgendwann einen neuen Mann kennen. Dann wird es kompliziert“. Jetzt ist klar, warum es so pressiert. Möglicherweise wartet der Liebhaber bereits unten im Auto und hofft, mit dem Erbe die langersehnte Golfausrüstung anzuschaffen.

Was kann denn dieser Beistand eigentlich, was das Erbschaftsamt nicht auch hinkriegt? Ist er ein Finanzprofi? Immerhin soll er doch das Beste aus Melanies Vermögenswerten machen. „Nun, wir hätten zwei Notare an der Hand…“. Ah ja, noch mehr Juristen. „Es kann auch jemand aus dem privaten Umfeld sein, den müssten wir dann aber prüfen“. Marianne scheint das Gleiche durch den Kopf zu gehen: „Arbeitet dieser Beistand ehrenamtlich, oder wer bezahlt das?“ „Nun, das wird aus Melanies Vermögen finanziert“.

Ich fasse zusammen. Die Kleine ist per Gesetz verpflichtet, ihr Geld zu einem Juristen zu tragen, der sie vor der „Interessenskollision“ ihrer Mutter schützen soll. Welche übrigens ihr letztes Hemd für ihre Tochter geben würde. Das einzige was hier kollidiert, ist Paragraph irgendwas mit dem gesunden Menschenverstand. Wer schützt das Kind vor diesem Schutz? Ich frage Herrn B., wie denn sichergestellt wird, dass der Beistand seinen Aufwand auf dem nötigsten Minimum hält. Er windet sich. So sei halt das Gesetz. „Das haben wir aber noch nie erlebt, dass ein Beistand mehr Geld aus der Sache geschlagen hätte, als nötig ist“. Das hat meine Mutter seinerzeit ganz anders erlebt. Aber die Zeiten haben ja geändert, nicht wahr? Es geht doch nichts über Vertrauen.

Mach mal „Aaaah“.

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gebissGrell brennt die Lampe in mein Gesicht, das gleissende Licht bohrt sich in meine Augen. Nein, ich habe nichts verbrochen, und würde man mich hier einem Verhör unterziehen, ich würde kein Wort sagen. Ich kann nämlich nicht. Man hat mich mit einer Maulsperre und einer Art Gesichtskondom lahmgelegt. Der Mann über mir fixiert mich mit seinem Blick, und doch bleiben mir die Fenster zu seiner Seele verschlossen. Ich wähnte mich als stolze Siegerin, als wir neulich im Büro die Bilder unserer Zahnärzte verglichen und darüber debattiert hatten, welcher wohl der Schönste sei. Heute nützt mir das herzlich wenig, denn er versteckt seine Augen hinter einer Lupenbrille und studiert konzentriert meine Zähne.

Spritzen mit furchterregender Nadel, brachial in das Zahnfleisch gerammt; das war einmal. Gut, zu früheren Zeiten gab es überhaupt keine Betäubung. Was sind wir für Weicheier, heutzutage. Seit neuestem pieksen winzig kleine Nadeln ihre narkotisierende Fracht ins zarte Fleisch, kaum spürbar. Einiges angenehmer als von einer Ameise gebissen zu werden. Martin Horat lebt also wesentlich risikoreicher und die Ameisen ebenfalls. Beim Zahnarzt indes wird die Drogendosis von einer Maschine kontrolliert, die laute Geräusche von sich gibt. Es klingt, als spiele eine Steel Drum Band im Hintergrund. Sowie sich mein Mund anfühlt wie ein gut gegartes Suppenhuhn, hisst der Zahnarzt die Segel: Kofferdam – ein Name wie ein holländischer Fluch. Unter diesem blauen Gummi werde ich soeben beerdigt. Der Bohrer schrillt durch Mark und Bein. Schlimmer als Heidi Klum, wenn sie quiekt; „meine Frisur hält das aus!“. Der Speichel tropft mir ungehindert die Kehle runter. Würde man es wohl in der Zeitung lesen, wenn jemand auf dem Zahnarztstuhl erstickt? Ich schätze, so fühlt man sich mit Knebelball im Mund. Ob sich unter den Zahnärzten potenziell vermehrt Sadisten finden? Falls ja, sind sie gut getarnt. Meine waren immer sehr nett. Ich würde jetzt gerne einfach die Augen schliessen. Einst bin ich schon mal auf dem Zahnarztstuhl fast eingeschlafen. Das Blöde ist nur: Der Zahnarzt gerät in Panik, denkt, die Patientin sei bewusstlos. Also blinzle ich immer wieder mal. Ich will ihm ja nicht Angst machen.

Nun pinselt er etwas auf meine Zähne. „Haben Sie’s gemerkt? Es riecht nach grünem Apfel“. In seiner Stimme schwingt Stolz mit, die Geschmacksnote muss neu sein. Ich habe Hunger, würde ihn gerne fragen, ob’s das Zeug auch mit Pizza-Flavour gibt. Bloss – ich kann ja nicht sprechen, kofferdam nochmal. Er feilt hier noch etwas, wurstelt da mit lautstarker Gerätschaft in meinem Mund herum, erteilt seiner Assistentin kryptische Instruktionen. „Sie haben es gleich geschafft“, beruhigt er mich. Nach einigen weiteren Minuten, mein Kiefer schmerzt allmählich, stellt er mir den Stuhl hoch. Wann will er mir wohl dieses blöde blaue Gummizeugs aus dem Mund…? „Oh!“, bricht es aus ihm hinaus, „Sie haben ja noch den Kofferdam…“. Der Stuhl fährt wieder runter. „Das ist mir auch noch nie passiert“, schüttelt er den Kopf, und befreit mich endlich von meinem Maulkorb. „Leider ist nicht Halloween“, nicke ich, „sonst hätte ich so gleich weiter können“. „Danke für die erneute Folter“, versuche ich ein schiefes Lächeln. Hat auch gar nicht weh gemacht. Das wird es erst noch – wenn die Rechnung kommt.  

Ein Nekrolog.

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kuhstall

Die letzte Ruhestätte.

Im Gedränge der Menschenmenge

hab ich dich zuletzt gesichtet.

Oh, wie vermiss ich deine Klänge

doch es scheint, du bist vernichtet.

——

Wie eine Horde wilde Paviane,

sind wir im Kreis herum gesprungen.

Dabei bist du, wie ich ahne,

zu Bruch gegangen und verklungen.

——

Ich liess den Blick zu Boden gleiten,

nichts – hab gleich die Swisscom kontaktiert.

„Sie erreichen uns fernab der Öffnungszeiten“

hat mich ne Stimme informiert.

——

„Du musst die 0041 wählen“,

sprach der Deutsche neben mir.

Muss ich mich noch mit Details quälen?

„Guete Abig, Swisscom hier“.

——

Wir feierten Sylvesternacht,

es floss der Sekt durch meine Adern,

bin anderntags bald aufgewacht,

und fing gleich an, mit mir zu hadern.

——

Lookout war auf dem Gerät,

warum hab ich nicht dran gedacht?

Will dich orten, s’ist zu spät,

wurdest vollends umgebracht.

——

Hab meinen Freunden etwas mitzuteilen,

am anderen Ortsende untergebracht,

muss zu ihnen rübereilen,

was mich etwas grimmig macht.

——

Die Sorge gilt vor allen Dingen,

nicht dem verlor’nen Geld,

Worte, die Sonne in mein Dasein bringen,

sind es, was mir wirklich fehlt.

——

Erster Jänner, die Läden geschlossen,

kein Wecker, zur Aussenwelt keinen Kontakt,

Ich fühle mich irgendwie erschossen,

und kann’s nicht ändern, s’ist vertrackt.

——

Geh ich auf der Piste verloren,

ohne Handy unter den Massen,

findet man meine Gebeine erfroren,

und wird mein Gebiss identifizieren lassen.

——

Werd nicht dein Piepen nur vermissen

hör’s als Phantompiep immer wieder

hast mit dir in den Tod gerissen,

alle meine Lieblingslieder.

——

Am Zweiten wollt ich ein Prepaid kaufen,

„die kriegen wir derzeit nicht rein“;

es ist doch einfach zum Haare raufen,

oh je, oh je, ich armes Schwein.

——

Kann mich auch nicht wecken lassen,

der war im Handy integriert,

werd wohl noch den Zug verpassen,

der mich schliesslich nach Hause führt.

2012 in review

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Die WordPress.com-Statistik-Elfen fertigten einen Jahresbericht dieses Blogs für das Jahr 2012 an.

Hier ist ein Auszug:

600 Personen haben 2012 den Gipfel des Mount Everest erreicht. Dieser Blog hat 2012 über 4.400 Aufrufe bekommen. Hätte jede Person, die den Gipfel des Mount Everest erreicht hat, diesen Blog aufgerufen, würde es 7 Jahre dauern, um so viele Aufrufe zu erhalten.

Klicke hier um den vollständigen Bericht zu sehen.

Querulanten im Kochtopf

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Der vielseitige Kürbis sei ein Alleskönner – ist er somit auch intelligent?

„Dumm wie Brot ist er“, schnaube ich in die Tastatur. „Wie dumm ist denn Brot?“, fragt es postwendend aus dem Facebook-Chatböxli zurück. Ist Weissbrot dümmer als Pumpernickel? Hat verschimmeltes Brot sein intellektuelles Potenzial fundamental erweitert? Wie tief ist die Seele von Lebensmitteln? Wir wissen es nicht. Muscheln kreischen, wenn man sie ins kochende Wasser wirft – darum käme mir sowas auch nie auf den Teller. Aber auch Gemüse soll ja Gefühle haben. Eine gewisse Empathie konnte beim Philodendron gar nachgewiesen werden: Verschont also die Frucht eures Philodendrons, esst im Zweifelsfall lieber den Ex. Oder vielleicht euren Chef? Der Milch wiederum kann man immerhin den Verstand eines Lemmings zugestehen – zwar sucht sie beim Erhitzen richtigerweise die Flucht zu ergreifen, jedoch nur, um sich ins nächste Verderben zu stürzen: den Putzlappen. Die emotionalen Eigenschaften von Nüssen wiederum lassen auch Laura Zurbriggen nicht kalt: „Ich liebe Wasabi-Nüsse“, lässt sie während eines Interviews verlauten. Letzteres muss sie wohl schriftlich erteilt haben, denn weiter schreibt sie: „Ich esse alles. Ich habe schon Zunge gegessen und sie war sehr lecker“.

Auch Angélique und  ich haben uns neulich mit einem charakterstarken Lebensmittel herumgeplagt:  Schwarzer Reis. „10 Minuten kochen“, stand auf der Packung, doch die renitenten Körner hatten gerade einen schlechten Tag. Vielleicht das prämenstruelle Syndrom – das Wasser färbte sich verdächtig rot. Eine geschlagene Stunde lang haben wir  auf den Riso Venere eingeredet wie auf ein krankes Pferd. Mit Prosecco haben wir  ihn gehätschelt, mit Bouillon aus der Reserve gelockt. Längst hatten die strengsten Eltern der Welt ihre Schützlinge weichgekocht, aber das Zeug in  unserem Topf blieb noch immer hart. Ja, am Ende hat er sich gar verzweifelt am Boden des Topfes festgekrallt, um nicht verzehrt zu werden. Ob es daran lag, dass wir während des Kochens aus voller Brust die 7 Söhne von Vater Abraham besangen, zuletzt in der Version mit herausgestreckter Zunge, sei mal dahingestellt. Apropos altes Testament: In der Bibel soll der Ursprung des dummen Brotes zu finden sein, und zwar im Buch der Sprüche 4, 17: „Comedunt panem impietatis – sie essen des Frevels Brot“. Der Narr wird hier als Frevler mit Brot in der Hand gezeigt. Ob er es fallen lässt, und ob die bestrichene Seite nach unten fällt, darüber schweigt sich die Bibel aus. Wobei ja gerade Murphys Law beweist, dass das Brot eben doch nicht so dumm sein kann; immerhin entgeht es so seinem barbarischen Bestimmungszweck.

Besser lief indes die Sache mit den Datteln im Speckmantel. Datteln sind ja von Natur aus etwas nachgiebiger im Naturell; weiche Schale, weicher Kern. Auch der Speck bezeugte während des Bratens sein Einfühlungsvermögen in den Reis; er verfärbte sich schwarz. Willige Apérohäppchen eignen sich denn auch prima, wenn wir nächstens eine grössere Manifestation an Bohnenstroh auf 3+ mitverfolgen: „Der Bachelor“ – mit prickelndem Prosecco und fügsamem Dip-Gemüse werden wir mitfiebern, wenn zwei Damen aus unserem Bekanntenkreis in einem Pulk von Frauen um den Sprössling von Filipo Leutenegger buhlen. Da die Sendung in Thailand gedreht wird, weichen wir vielleicht auf Poh Pia Thod aus. Dann verstehen wir auch nichts, falls sich die Frühlingsrolle beschwert. Schliesslich möchten wir nicht verpassen, wenn der Schönling die Frage aller Fragen an das junge Gemüse richtet: „Willst du in diese Rose beissen?“. En Guete!

http://www.welt.de/welt_print/kultur/article5842242/Wie-das-Brot-dumm-wurde.html
*http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Narrenattribute&oldid=62750269

Mit Erich im Park

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Eben habe ich einen Abstecher in den schönsten Park Zürichs gemacht. Es gibt zwei Jahreszeiten, an denen ich ihn ganz besonders mag: Die eine ist dann, wenn die Bäume mit roten, orangefarbenen und gelben Blättern so tun, als stünde der Herbst nicht für Vergänglichkeit, sondern bringe neues Leben mit sich. Die andere ist jetzt: Blühende Kirschbäume, Magnolien – so ganz genau weiss ich’s ja nicht. Für mich ist alles Kirschbaum, was weisse und rosa Blüten trägt. Magnolien kenne ich, ich hab sie vorhin gegoogelt.

Wer in diesen Park will, passiert zunächst einen massiven Türbogen, das dickem Gestein von Efeu umrankt. Ganz oben auf dem Bogen sitzt, zur Statue versteinert, eine Frau und wacht über alle, die den Park betreten. Es ist wie ein Eingang in eine andere, mystische Welt. Oft stelle ich mir vor, mit einem weissen Kleid durch diesen Bogen zu treten, ein sanfter Windhauch in den Haaren. Wie in diesen Liebesromanen. Ok, das ist jetzt albern. Im Park drinnen schweift der Blick über eine wildromantische, aber gepflegte Landschaft und Blumen in den verschiedensten Farben. Unzählige Geschichten liegen hinter jedem Winkel. Mein Lieblingspark ist ein Geheimtipp, und eigentlich sollte ich hier gar nicht darüber schreiben. Nur wenige kommen her, um ein Buch zu lesen oder ganz einfach unter den Bäumen zu liegen und in den Himmel zu schauen. Die meisten Menschen, die sich hier aufhalten, plagen keine Sorgen. Hier ist Platz für jede Regung des Herzens.

Manchmal treffe ich in meinem Park einen Freund, sein Name ist Erich. Dann setze ich mich auf die kleine Parkbank unter dem Baum, dessen Gattung ich freilich nicht kenne, und Erich sitzt neben mir. Wir sind beide still. Obwohl ich nichts über ihn weiss, macht er mir keine Angst. Erich versteht mich ohne grosse Worte und nimmt mich, wie ich bin, ohne Schminke und kluges Gerede. Hier muss ich nichts. In diesem ruhigen Park, abseits der Hektik der Stadt, neben Erich, erkenne ich wieder, was wichtig ist. Ich frage mich oft, wie er wohl sein Leben gelebt hat, er und seine Frau, die gleich neben ihm liegt. Ich werde es nie erfahren, und doch werde ich auf dem Sihlfeld immer wieder an die Notwendigkeit erinnert, wahrhaftig zu leben.