Auf der Mauer, auf der Lauer…

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Nach meinem letzten Beitrag steht die These im Raum, dass allzu Persönliches die Einen oder Anderen überfordert. Das wollen wir doch mal testen. Ich erzähle euch jetzt etwas ganz Persönliches über mich.

Ich habe Angst.

Und zwar vor winzig kleinen Tieren. Solche, die krabbeln. Gut, hierzulande hält sich der Schrecken in Grenzen. Aber von meinen Afrika-Ferien, sag ich euch, da hätt ich was zu erzählen. Oder vielmehr mein Ex, er hat nämlich die Käfer aus dem Zimmer und die Heuschrecke aus meinen Haaren entfernt. Aber auch in unseren Breitengraden kann es brenzlig werden, wenn das Tier nämlich mit Flügeln ausgestattet ist. Wanzen zum Beispiel. Ganze Familien davon lungern vor unserem Haus herum und nützen jede Gelegenheit in Form eines offenen Fensters, unerlaubterweise einzudringen. Sollte einer der Leser hier Wanzenried mit Nachnamen heissen: du bist nicht gemeint.

Wisst ihr eigentlich, dass Wanzen ein höchst vielfältiges Sexualverhalten geniessen? Ich verweise hier auf Wikipedia: Am übelsten sind wohl in jeder Hinsicht Bettwanzen. Hier überfällt das Männchen das Weibchen ohne Werbeverhalten und begattet es sofort. Sichelwanzen sitzen stundenlang auf dem Weibchen und umklammern es mit den Beinen (klingt irgendwie interessant?!). Einige Wanzen paaren sich in antagonistischer Stellung, andere rechtwinklig zueinander. Bei den Rindenwanzen sitzt das Männchen unter dem Weibchen (es lebe das Matriarchat). Nun, die Vorstellung zweier Wanzen, die sich finden und wild kopulierend (ob rechtwinklig, antagonistisch oder klassisch in der Missionarsstellung ist mir recht egal) ihren Nachwuchs in mein Heim ergiessen, geht eindeutig zu weit. Da hört die Nächstenliebe einfach auf.

Neulich also thront wieder einmal so Ungetüm über mir am Türrahmen, der auf den Balkon hinaus führt. Wir wollen das Tier Marleen nennen, denn der Fall ist klar, eine von uns beiden muss jetzt gehn. Da ich hier wohne, ist der Entscheid schnell gefällt: Kein Asyl für Marleen. Gut, ich hab auch schon auf dem Sofa übernachtet, weil das Schlafzimmer von einem geflügelten Käfer besetzt war. Hier aber sind Wohn- und Schlafzimmer eins, und im Bad schläft es sich einfach nicht bequem.

Ein Feind mit Flugfähigkeiten ist schwer zu fangen, das weiss man spätestens seit Superman. Vor allem, wenn der eigene Puls rast. Ich beschliesse also, das Tier ganz einfach hinauszublasen. Mit dem Fön bewaffnet pirsche ich mich an den Eindringling heran, ziele, es pustet und – kein Wank. Marleen denkt nicht im Traum daran, im Luftstrom sanft zu entschweben. Verzweifelt klammerte sie sich mit ihren Beinen an den Holzrahmen (es muss sich um eine Sichelwanze handeln – vielleicht doch ein Männchen?), bis sie von der Hitze wohl irgendwann einen Kreislaufkollaps erleidet. Jedenfalls stürzt sie sich wie eine F/A 18 an mir vorbei, ich, mit gellendem Schrei gerade noch zur Seite gehupft. Ich hoffe, sie hat kein Hirn-Schädeltrauma erlitten – ich schwöre, das wollte ich nicht! Den Weg ins Freie hat sie jedenfalls noch gefunden, der Verdacht aber bleibt, dass sie mir dennoch zürnt – ich wette, das Riesenvieh, das nicht viel später danach erneut auf meinem Türrahmen sass und seine gestreiften Fühler kampfesbereit aneinander rieb, war ihr grosser Bruder. Aber das ist eine andere Geschichte…

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