Bündner auf dem Kriegspfad.

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steinbockZeitung, Handy, Schuhspitzen. In Zürich blicken die Menschen überall hin, aber selten in die Augen fremder Leute. Was also tut die pragmatische Single-Frau von heute? Sie geht online. Vielleicht findet sich dort ja ein Gspänli? Man muss dem Schicksal Gelegenheit geben. Bald schon flattern Dutzende Nachrichten in die Mailbox. Von Herren, die entweder meine Väter oder Söhne sein könnten oder solche, die sicher, mh, nett sind. Ab und an findet sich einer, der den Kinderschuhen entwachsen ist und noch keine AHV-Rente bezieht, ja den gar ein passables Foto ziert, auch wenn es vielleicht seinen Cousin zeigt. Kann man ja mal näher anschauen. Dummerweise folgt meist nach wenigen, nichtssagenden Sätzen die Frage, ob ich ihn denn nicht gerne noch gleichen Abends daheim besuchen möchte.

Ich will nicht nach Hause bestellt werden, als wäre ich eine Pizza! Prominent platziere ich meinen Unmut im Profil. Ich gebe zu, meine Feder ist nicht für alle Gemüter gleich verträglich, erst recht nicht, wenn mir der Kragen platzt. Und so schreibt mir bald Attila, der Hunnenkönig. Wirres Haar, voll tätowiert. Der Blick sagt: „Ich hau dir gleich eins in die Fresse“. Ich sei arrogant, meint er grimmig, mit 20 Ausrufezeichen. Bald folgt ein zweiter Herr mit finsterem Antlitz: „Eine alte blöde Tussi und obendrein hässlich, die Lippen sind sicher gespritzt“. Der Dritte, ein grobschlächtiger Kerl um die 40, bläst ins gleiche Horn. Ungefragt erklärt er, er wolle junges Gemüse, kein altes. Und eben, die Lippen. Ich bin bestürzt. So viel Boshaftigkeit, nur weil ich etwas Respekt gefordert hab? Andererseits, wir leben in einer Welt, in der Frauen in Kellern festgehalten und auf offener Strasse Köpfe abgehackt werden. Ist es nicht etwas naiv, sich wegen einiger gehässiger Nachrichten aufzuregen? Und sowieso – den Pilznasen bin ich doch haushoch überlegen. Vielleicht nicht beim Holz hacken, aber sicher im Schreibkrieg. Ich krieg mich wieder ein, sehe, dass die Herren allesamt Bündner sind. Einer indes aus Zürich, aber auch der schreibt mit Bündner Dialekt. Ha! Ein Komplott aus dem Land der Steinböcke. Denen steckt meine Rede wohl wie ein Pizokel im Hals – jetzt kriegen sie einen dicken Kopf.

Bald stimmt der vierte Bündner, ein dicklicher Typ, ins selbe Lied ein. Ich bin kampfbereit und haue in die Tasten:
„Huh! Noch n’Bünder mit Lippen-Aversion? Gott, muss ich euch eingefahren sein, dass ihr euch so ne Mühe macht. Zugegeben, etwas lästig seid ihr schon, so wie die ganzen Mücken im Moment. Kommen die auch aus dem Bündnerland? Ich kann ja verstehen, dass ihr den Anblick voller Lippen nicht kennt. Ihr seht wohl nur schmallippige Damen, weil die sich das Lachen verbeissen. Dein Kumpel meinte, er stehe auf Gemüse, was klar ist, da seine kognitiven Fähigkeiten jene einer Zucchetti nicht zu übersteigen scheinen. Trotzdem weiss ich nicht, was ihr für’n Problem mit gespritzten Lippen habt, wenn sie’s denn wären – hab die Tage Bildli von mindestens einem Bündner gesehen, der aussieht, als hätte er selber den ganzen Kopf gespritzt. Mit Gips. Eigentlich kenn ich euren Kanton als gemütliche Leute, echt, ich mag euch, aber vielleicht hatte Mike Müller doch recht mit den zusammengewachsenen Fingern (ihr wisst schon, Inzest und so – n’bisserl fies, aber hey, ich hab den Witz nicht erfunden!). Auch wenn eure Nusstorte super ist, muss ich von den Nüssen nicht zwingend angeschrieben werden, vor allem nicht, wenn sie hohl sind. Nicht böse sein, war uh lustig mit euch :-D“.

Ich rechne damit, von halb Graubünden gedisst zu werden und meinen Account erst mal löschen zu müssen, aber nein. Bis jetzt herrscht Stille. Wer weiss, vielleicht sind Gian und Giachen schon unterwegs, um mir die Hörner in den Hintern zu rammen?

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