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Der heilige Gral der Jugend.

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aperoaltDer Flakon ist leer, kein Zweifel. Mein Daumen hämmert auf den Dosierspender ein wie ein Specht auf den Baumstamm. Nichts quillt hinaus. Ja, es ist wissenschaftlich belegt, dass Hautcrèmes den Zerfall nicht zu stoppen vermögen, den Wunderpreisungen der Werbung zum Trotz. Ich setze dennoch voll auf den Placebo-Effekt. Ausserdem hat man mir schon den Nikolaus genommen und die Feen. Den Glauben an den ewigen Jungbrunnen, unter dessen streichelzartem Einfluss meine Haut sich gleichsam dem merkwürdigen Falle des Benjamin Button ins Kindesalter zurück entwickelt, halte ich trotzig aufrecht. Nun, da mir die Leere des Topfes entgegen gähnt, ist die Zeit gekommen, sich über die neuesten technologischen Errungenschaften der Kosmetikindustrie kundig zu machen. Ich mache mich auf, den heiligen Gral der Jugend zu finden.

Ich tigere also in die Apotheke. Hier gibt es nicht nur Tablettchen, die dem verfrühten Tode ein Schnippchen schlagen. Die Gestelle sind randvoll gefüllt mit Salben, welche selbst einen Zombie wie die dralle Maid aus der Milchwerbung aussehen lassen. Meine Recherchen haben ergeben, dass die Presse ein Produkt von Clinique lobpreist. Dieses bewässert die Haut angeblich besser als der Nil Ägypten. Ich trinke untertags zwar mehr Wasser als ein afrikanischer Wasserbüffel an der Tränke, trotzdem lacht mir aus dem Spiegel oft eher ein Knollensellerie entgegen statt eines Golden Delicious.

„Das ist ein 3-Phasen-Produkt“, erklärt die adrette Apothekenhelferin. 3 Phasen bedeutet, du hast die Phasen der Hoffnung und Vernunft überwunden und befindest dich in der Endphase, der schieren Verzweiflung. Das ist der Moment, wo du bereit bist, dir drei verschiedene Crèmes statt deren einer ins Gesicht zu schmieren. So weit bin ich noch nicht. Ich will keine chemische Reaktion erzeugen und brauch auch keinen Zweikomponenten-Kleber. Ich will eine für alles. Ein Musketier-Balsam quasi. „Hm“, murmle ich, „können Sie mir vielleicht sonst was empfehlen?“. Die Dame im weissen Kittel blickt mich an. Ihre Pupillen verengen sich. Jetzt spricht sie schneller, ich spüre ihre Aufregung. „Ich habe hier etwas“, flüstert sie beschwörend, mit lauerndem Blick. Wie ein Luchs, dessen Beute sich arglos nähert. „Sensai… da hat es Seide drin. Das macht die Haut ganz weich“.

Seide, Kaviar, ja gar Gold. Warum hatte noch keiner die Idee, da Vincis „Mona Lisa“ zu zermahlen und in Crème-Tiegel abzufüllen? Würde sich sicher gut verkaufen. Ich weiss genau, wieso die luchsige Dame mir die Kokonfasern leidgeplagter Insektentiere empfiehlt – nicht weil sie mich für ein Kleid hält, nein, die Crème ist so teuer, dass mir die Falten vor Schreck aus dem Gesicht fallen sollen. 300.— kostet das Zeug. Das muss ja ordentlich was können! Darf ich damit rechnen, beim nächsten Warenhausbesuch am Kundenservice abgegeben zu werden, weil ich mein Mami verloren hab?

Ich beschliesse, dem Elend ein Ende zu setzen und endlich irgendwas zu kaufen. Es gibt da ein neues Produkt von Eucerin. Das kann etwas, was bisher nur Haarsprays vermochten. „Rom, 30 Grad, das Gesicht hält“. Nein, dieses Produkt verspricht Volumen. Ich stelle mir vor, wie mein schmales Gesicht aufploppt, wie ein Kugelfisch in Rage. Das ist super. Dieser Topf wird gekauft.

Am nächsten Morgen streiche ich mir das Mittel der ewigen Jugend erwartungsfroh ins Gesicht. Ich glänze wie eine Speckschwarte. Falls ich gleich anfange zu grunzen, wär wohl zumindest die Sache mit dem Volumen erfüllt. Anstatt in die Haut einzuziehen und dort ihre Wunderwirkung zu vollbringen, überzieht dieses Erzeugnis mein Antlitz mit einer schmierigen Schicht. Spätestens nach dem Auftragen des Make-ups sehe ich aus wie Alaskas Küstengewässer nach dem Tankerunfall der Exxon Valdez. Eigentlich wollte ich etwas, das mehr in der Tiefe wirkt. Ich glaube, das nächste Mal nehm ich was mit Algenextrakt.