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Fernsehdrama.

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Es gibt Momente im Leben einer Frau, die dulden keinen Aufschub. Einer davon ist, wenn die Sendung „Grey’s Anatomy“ über den Bildschirm flimmert. Dafür legt frau gerne mal das iPad beseite, loggt auf Facebook aus und beendet den kleinen Tratsch per WhatsApp. Erst recht, wenn bei Cablecom mal wieder ein Mammut auf der Leitung ins Internet steht. So sind die Tragödien liebeskranker Ärzte und Ärztinnen frei von jeglicher Ablenkung zu geniessen. Dachte ich.

Ich setze mich also mit Holundersirup und Chips bewaffnet erwartungsfroh vor die Kiste. Nichts passiert. Das Lichtspieltheater bleibt finster. TV hab ich nämlich beim gleichen Anbieter wie Internet – bei der Cablecom. Panik ist angesagt. Ich hechte zum Telefon, bereit, auch den Kundensupport der Cablecom in Alarmstimmung zu versetzen. Kein Freizeichen. Es geht doch nichts über die vorteilhaften Produktepakete der Telekommunikation. Gott sei Dank, bietet die Cablecom keine Mobilabos an. Nachdem ich also Sprachwahl, Schuhgrösse und BMI ins Handy getippt habe, werd ich gefragt, ob ich denn nun Fragen zu Internet (1), Festnetz (2) oder Digital TV (3) hätte. Ich wähle die 123. Der Blechmann am anderen Ende der Leitung teilt mir mit, dass ich meine Filme ab 5. Juni in bester digitaler HD-Qualität empfangen kann. Schön. Im Moment will ich aber einfach nur Blut sehen, und zwar solches aus Ketchup im OP des Seattle Grace (man muss heute aufpassen, was man schreibt, Amokläufern sei Dank). Unverzüglich  – in welcher Qualität ist mir egal! Flugs noch die Postleitzahl, und schon wird mir erneut mitgeteilt, dass ich ab 5. Juni meine Filme in bester digitaler HD-Qualität… ja ja. Noch weitere Fragen? Dann solle ich doch die 1 drücken, ansonsten bitte auflegen. „Ich HABE weitere Fragen!!!“ belle ich ins Telefon, und werde drum halt mal mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden.

„Haben Sie denn noch ein analoges Signal?“, fragt besagter freier Mitarbeiter, ein sympathisch klingender, junger Mann. „Nehmen Sie doch mal das Antennenkabel aus der Box und und schliessen Sie es am Fernseher an“. Grey’s Anatomy läuft schon seit geraumer Weile, und ich bin allmählich mindestens so mies gelaunt wie all die mürrischen Gesichter jeden Morgen im 2er-Tram. Ich besitze drei Boxen mit Steckern, die ich potenziell in mein TV-Gerät verpflanzen könnte. In der Hektik stolpere ich über das Kabel, während ich es aus der Schiene reisse, werfe einen Blumentopf zu Boden, und halte dann einen Stecker in der Hand, der genau gleich aussieht, wie die Buchse am Gerät. Bei Mensch und Tier mag sowas mit etwas gutem Willen funktionieren, bei Geräten will es aber auch mit Gewalt nicht gelingen, zwei identische Stecker ineinander zu stecken. Das teile ich dem Mann am Telefon mit, der sich hörbar die Haare rauft, und mich fragt, ob mir denn niemand helfen könne, beim fachgerechten Aus- und Ineinanderstecken meines Apparates. Ein Arzt vielleicht? Oder der 96-jährige Herr Salzmann von untendran??

Ein desperate Housewife auf Serienentzug, der Alptraum eines jeden Mannes. Der Cablecom-Guy und ich, wir steuern auf unsere erste Beziehungskrise zu. „Ich kapituliere“, jammere ich in den Hörer. „Wie bitte?“. Der Mann klingt ratlos. Fast tut er mir leid.  „Hier hat es keinen Stecker, der in den Fernseher passt. Nein, hat es nicht. Wirklich. Ich verzichte ganz einfach aufs Fernsehen. Vielleicht löst sich das Problem ja von selbst. Bis dahin habe ich noch jede Menge Bücher“. Rückzug ist angesagt: „Nen schönen Abend“ wünsche ich, wohl wissend, dass ich am nächsten Tag zähneknirschend und reumütig zurückkrebsen werde, sollte der Anschluss bis dahin noch immer nicht funktionieren. So ist das halt, bei technischen und zwischenmenschlichen Dramen.