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Chmchmchm.

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geraeusch„Dass mein Büro-Kollege immer wie ein Ross aus seiner blöden Wasserflasche saufen muss. Diese penetrante Dauer-Wasser-Sauferei von gewissen Leuten….“. Marc ist entnervt: „Die Gluckserei von dem Vis-à-vis, als würde man gleich verdursten, wenn man mal eine Viertelstunde nix trinkt…“. Sabber, schmatz, gurgel, hicks: Wie steht’s mit dir? Bist du geräuschempfindlich?

Ich für meinen Teil lasse zwei Liter Wasser täglich durch die Flasche gluggern. Mindestens. Das ist geräuschetechnisch noch harmlos: Neulich hab ich im Büro lautstark einen Tirggel (für alle Nichtzürcher:  http://lmgtfy.com/?q=tirggel) zwischen meinen Backenzähnen zermalmt. Einige Tage später erreichte mich eine Mail: „.Du, nicht dass es da ein Missverständnis gibt. Neulich hast du einen Tirggel gegessen, und dann fing Melanie auch noch damit an. Da hab ich gesagt, das sei ja ein richtiger Tirggel-Chor. Mehr habe ich nicht gesagt. Nur dass du nicht das Gefühl hast, wir unterhalten uns des Langen und Breiten über deine Kaugeräusche.. 🙂“. Emissionen des Verdauungstrakts sind per se heikel, auch rein akustisch. Vom Kiefer bis zum Allerwertesten nimmt das Unheil zunehmend seinen Lauf. Hingebungsvolles Kauen würde zumindest dem wesentlich skandalöseren Bäuerchen vorbeugen. Wenn dann die Luft der Schwerkraft entsprechend erst mal ihren Weg bahnt, weiss man ja, wo das endet. „Chmchmchm. Chmchmchm“. Es knabbert vernehmbar im Grossraumbüro und ja, das kann nerven. Auch mich, wenn ich eh schon mies gelaunt bin. Dann tut mir der arglose Knusperling trotzdem fast leid, wie er da sitzt, friedlich vor sich hin knusperknäuschend. Der frohgemute Hase am Möhrchen, nicht ahnend, dass man ihn am liebsten in den Kochtopf stecken würde.

Einmal hatten wir ein Bürogspänli, das – man weiss nicht warum – immer wieder mal wohlig vor sich hingrunzte. Dem Vernehmen nach sollen sich einige der unfreiwilligen Zuhörer mit dem Gedanken getragen haben, offiziell dagegen zu protestieren. Obschon er ja schätzungsweise nicht aus freien Stücken gegrunzt hat, das arme Schwein. Jedenfalls bin ich froh, sammelt niemand gegen meine Selbstgespräche Unterschriften, noch nicht mal gegen meine leidenschaftlich dahingeschmetterten Flüche. Und ich bin auch dankbar, darf ich während der Arbeit überhaupt essen. Sogar vom Brötchengeber gesponserte Äpfel, deren Knacken auch nicht eben dezent ausfällt. Solches in einer Zeit, wo ja gegen das Essen im Tram arg polemisiert wird. . „Fressen im Tram geht gar nicht“, hat neulich einer auf Ronorp gepostet. Telefonieren auch nicht. Greifst du im ÖV zum Handy, widmet man dir bestenfalls einen Leserbrief, schlimmstenfalls einen Blogbeitrag. Noch verpönter ist Gesang, da schwingen gleich mal ein Dutzend Köpfe in deine Richtung und man fragt sich, aus welcher Anstalt du ausgebrochen bist. Selbst schreiende Kinder ernten böse Blicke. Verbote müssen her, alle Macht den Scheintoten! Spätestens wenn man sich auf dem Sihlhölzli statt im Tram wähnt, werden dann wieder die griesgrämigen Mienen der Mitreisenden beklagt.

In Diskussionen um die Moral sind jene mit der lascheren Haltung immer in der Defensive. Mich stört das alles nicht. Singende Menschen wärmen mir das Herz, selbst wenn die Töne schiefer sind als der Turm zu Pisa. Ich lass mich auch gern von nem schallenden Lachen anstecken. Oder tausche mit anderen Menschen augenzwickernd ein Schmunzeln, wenn wir Zeuge eines lautstark geführten skurrilen Gesprächs sein dürfen. Ich weiss, es gibt Menschen, die ernsthaft unter lauten, nervigen Geräuschen leiden. Aber mal ganz ehrlich, kann es sein, dass eine Mehrheit ganz einfach mürrisch ist? Genauso wie ich, wenn mich das Knuspergeräusch meines Gegenübers auf die Palme bringt. An Parties gibt‘s gratis Oropax, im ÖV muss man sie selber zahlen. He jo, drno. Und Marc? Sein Gspänli hat jetzt Grippe und muss Tee trinken. Und weil der so heiss ist, gluckst er nicht mehr – er schlürft.