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Luschen statt Duschen.

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brause„Du, dini Duschbrause isch völlig verkalkt“. Mein Süsser steht tropfend und mit gequälter Miene im Badezimmer. „Das macht ja weh! De Strahl ist total hert. Bring mir mal Essig, ich entkalk dir das jetzt“. Ich winke ab. Es ist 23 Uhr, Entkalken steht gerade nicht auf meiner Prioritätenliste. Sowieso, ist sie zu hart, bist du zu schwach. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft – ich beschliesse, die Brause ihrer Vernichtung zuzuführen und erinnere mich an den Besuch bei jenem Medium, das vorgab, Jesus zu sein: „Du beziehst deine Kraft aus Farbe – eine Farbdusche wäre gut für dich“. Bingo. Nebst all dem Bullshit mal ne weise Aussage. Ich male mit Farben, schmeisse an indisch orientierten Festivals mit Farbpulver, kleide mich schon mal in Gelb mit Purpur. Keine Frage: Ich dusche auch bunt!

Eine Frau, ein Wort, schon am nächsten Tag durchkämme ich das World Wide Web nach Düsen, die Wasser in buntes Licht verwandeln. Es wimmelt von Angeboten. Ein paar Klicks, Kreditkarte gezückt, die Brause ist mein, und ich harre freudig der Farben, die da fliessen sollen. Eine Woche, zwei, drei Wochen vergeblichen Wartens. Ich beschliesse, nachzufragen.

„Wir haben einen Lieferrückstand auf Ihrem bestellten Artikel“, heisst es, „wir wissen, dass dies ein neuer Lieferrückstands-Rekord ist.“. Okee. Zwei Wochen später klopfe ich nochmals an: „Ich wollt mich mal schüchtern erkundigen, ob dieses Farbduschendings langsam versandt werden kann, oder ob das Ziel ist, mit dem Lieferrückstandsrekord einen Eintrag im Guinessbuch zu erlangen? Mein Lover wird langsam sauer, weil er noch immer mit dem kaputten Duschkopf duschen muss.“
Der Lieferant hat uns Duschen gesendet, die der guten Qualität nicht entsprechen. Da wir keinesfalls möchten, unsere Kunden mit solchen Produkten zu beliefern, warten wir jetzt auf eine andere Lieferung von qualitativen Duschen“. Ich warte also mit.

Wochen vergehen, der Duschstrahl piekst mich noch immer in den Hintern. Mein Süsser ist mir unterdessen auch abhanden gekommen, ich hätte ihn doch das blöde Ding entkalken lassen sollen. Gut, wie man Duschköpfe entkalkt, kann man auf Youtube lernen. Vielleicht müsste man etwas Essig in die Leitung des Online-Shops giessen, damit was geht? Ich beschliesse, nochmals einen Anlauf zu nehmen.
„Grüezi mitenand. Die Tage ziehen ins Land, flugs sind schon wieder 3 Wochen verstrichen. Mein Typ hat inzwischen mit mir Schluss gemacht, ich vermute, es ist wegen der Duschbrause. Ich schlage vor, dass ich von der Bestellung zurücktrete. Ehrlich gesagt zweifle ich, ob ich die Brause von Ihnen noch in diesem Leben bekomme und im nächsten werde ich vielleicht als Wal wiedergeboren und hab meine Dusche schon integriert. Bitte bestätigen Sie mir doch kurz die Stornierung der Bestellung“.

Wieder warte ich, tagelang. Der Online-Shop bleibt stumm. Interessant. Schweigende Männer bin ich mir gewohnt, schweigende Online-Shops noch nicht. Ich beschliesse, etwas geharnischter aufzutreten:
Ich warte immer noch auf eine Bestätigung, dass meine Bestellung storniert wird. Ich bestelle sicher nicht woanders, und dann fällt Ihnen ein, dass Sie die vermaledeite Duschbrause vielleicht doch liefern möchten. Wäre flott, wenn wenigstens das geht, danke.“.
Tags darauf, hurrrrah, eine Antwort: „
Der Lieferant hat uns Duschen gesendet, die der guten Qualität nicht entsprechen. Da wir keinesfalls möchten, unsere Kunden mit solchen Produkten zu beliefern, warten wir jetzt auf eine andere Lieferung von qualitativen Duschen“. Hm. Dieses hervorragende Deutsch hab ich doch schon mal gelesen? Hach ja. Vor einem Monat.

 Konflikte soll man nicht schriftlich austragen. Ich greife also zum Hörer. Schildere freundlich den Sachverhalt, erlaube mir dann aber die Frage, ob man mich veräppeln will?
„Wenn Sie anständig mit mir sprechen möchten, können Sie nochmals anrufen“, bellt es aus dem Hörer, „so reden Sie nicht mit mir!“. Ich bin perplex. Hänge auf. Meine Arbeitskollegin guckt mich mit grossen Augen an. Zum Glück hat sie mitgehört – hab ich was Falsches gesagt? Nein, hab ich nicht! Sie versteht’s auch nicht… Tja. Der hat wohl zu heiss geduscht? Wer ist der Kerl, ich werd mich beim Chef beschweren! Hach blöd, es war der Geschäftsführer. Aber hey, hoch lebe Social Media. Da gibt’s diese supi Bewertungsplattformen. „Meine“ Firma lässt sich da auch beurteilen, und das tu ich jetzt mit Hochgenuss. Und bestelle gleich danach meine Duschbrause – woanders und mit 7 statt 4 Farben. Lieferung: Ein Tag später. Das hab ich mir verdient.