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Am besten alle steinigen und sterilisieren. In dieser Reihenfolge.

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imagesCAB6LDNEWeil wir so einen schönen Sommer hatten, sind wir ja alle gutgelaunt. Die beste Gelegenheit, wieder einmal mit einem fröhlichen Thema einzufahren: Ich habe jüngst eine Sendung gesehen über eine Frau, die in den 70ern zwangssterilisiert wurde. Will heissen, die damals 18-jährige wurde ans Bett geschnallt, dann hat man ihr die Gebärmutter rausgenommen. Warum? Sie war unehelich schwanger. Ach ja, das Kind wurde abgetrieben. Ihr wurde triebhaftes Verhalten attestiert, zudem habe sei sie geistesschwach. Letzteres hat sich irgendwie nicht bestätigt, wenn man mal von dem Trauma absieht, dass man ihr angedeihen liess. Zwangssterilisationen gab es bis in die 80er, so unüblich war das nicht. So wenig unüblich wie die Sache mit den Verdingkindern, aber da ging es natürlich weniger um triebhaftes Verhalten, sondern im weitesten Sinne um Geld. Beide Arten von Verbrechen eint eine Moral, der jegliches Mitgefühl abgeht, ganz ähnlich, wie das bei gewissen Extremisten im Irak der Fall ist.

Nach diesem Rückblick in unsere Schweizer Vergangenheit wurde mir die Story jenes gut situierten Gemeinderats – wir nennen ihn Herr Hugentobler – zuteil, der sich das alleinige Sorgerecht für seine fünf Kinder erstritt. Dazu bedurfte es lediglich eines gefälschten psychologisches Gutachtens – wozu hat man Freunde? Dass besagter Psychologe den Betrug mittlerweile eingestanden hat, half so wenig wie die ärztlichen Gutachten, welche der Mutter einen verschobenen Wirbel attestierten – der Gemeinderat langte gerne auch mal etwas kräftiger zu, nicht nur bei ihr, auch bei den Kindern. Man hat zugesehen, in der Nachbarschaft, wie die schreienden Kinder aus dem Haus getragen wurden. Trotzdem steht die ganze Gemeinde hinter dem Politiker. Er spült Geld in die Gemeindekasse, hat Beziehungen und damit Macht. Manch einer meinte, „daran wolle man sich nicht die Finger verbrennen“. Soweit die Geschichte, sie war in der regionalen Presse zu lesen, aufgeregt hat sich kaum jemand.

Warum ich das alles erzähle? Dieser Tage geht eine Welle der Empörung durch die Medien, weil ein erwachsener Politiker einer erwachsenen Frau ein Nacktbild geschickt hat. Vom Arbeitsplatz aus, wie furchtbar. Andere machen in dieser Zeit eine Zigipause oder gehen aufs Klo, um dort… na ich will’s gar nicht wissen. Klar, ich möchte auch kein Nacktbild vom Herrn Müller, aber so schlimm kann der Mann ja nicht aussehen, dass man ernsthaft Schaden davontrüge. Glaube ich – oder war das Bild der Grund, weshalb die Frau plötzlich um 12 Jahre von 21 auf 33 gealtert ist? Oder geschah der kleine redaktionelle Irrtum, um die mediale Steinigung geschmierter in Gang zu bekommen? Jetzt schreiben irgendwelche Leser Briefe und verurteilen die Tat als „pervers“ oder widerlich. Die Rechtschaffenen halten ihre Leichen schön im Keller und schreien danach, der Grüsel möge seinen Hut nehmen. Noch bevor die Umstände überhaupt geklärt sind. Es fragt auch niemand danach, ob es allenfalls verwerflich sei, in die Öffentlichkeit rauszuposaunen, was man im Vertrauen zu zweit geteilt hat. Übrigens, ich kenne den Politiker nicht und mir ist recht egal, ob er im Amt bleibt oder nicht. Es geht ums Prinzip.

Wisst ihr, was ich glaube? Der Mehrheit der Empörten ist es doch leidlich egal, ob der Anblick vom nackten Herrn Müller von der Dame erwünscht war oder nicht. Wer will zudem hören, was in den 70ern war?! Manche mögen sich ja noch nicht mal mehr erinnern, was in den 40ern lief, also bitte. Gerechtigkeit, Menschlichkeit, who cares? Alles Weiberkram. Es sind nicht Empathie und Mitgefühl, die unser Gemüt in Wallung bringen. Wir engagieren uns dort, wo es wirklich, wirklich gefährlich wird. N-A-C-K-T-B-I-L-D-E-R…. wuäääh! Ist auch nicht zu anstrengend und komplex, das Thema. Nein, im Ernst, soll mir mal einer sagen, was an solchen Moralvorstellungen denn so viel anders ist wie in den 70ern. Nacktbilder und uneheliche Kinder, das ist doch beides die gleiche Sauerei. Früher hat man die Leute operiert, heute werden sie medial seziert. Der Müller ist selbst schuld, er hat gemacht, was wir uns nie erlauben würden. Drum sind wir ja so sauer. Bei Jung nennt man so etwas Schattenprojektion.