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Heimatland noonemal!

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Jüngst flatterte mir ein Schreiben des Kreisbüros ins Haus. Mein Heimatschein sei nicht mehr gültig, ja vernichtet worden, hiess es, und zwar als Konsequenz meiner Scheidung: Ich möge doch bitte ein neues Exemplar einreichen. Im Falle, dass selbiges nicht vorhanden sei, könne ich gegen Gebühr ein neues anfordern, und zwar in Biel. Nun bin ich Zeit meiner Existenz heimatberechtigt in einem Ort namens Seltisberg im Baselland, den ich zwar noch nie gesehen habe, ich war soweit aber ganz zufrieden damit. Im Zuge meiner Heirat bereicherte sich mein Heimatsportfolio um zwei weitere Heimatorte, von welchen einer eben in Biel liegt.

Nun brauche ich offen gesagt nicht wirklich drei Heimatorte. Schon gar nicht, wenn ich dafür noch Geld ausgeben muss. Nachdem sich in meinem Fundus kein Heimatschein finden liess, konsultierte ich meinen nicht-mehr-Ehemann, ob er denn bei sich noch irgendwo ein Heimatschwein hätte. Ja, richtig gelesen: Ehegatten entwickeln im Verlaufe der Zeit bisweilen merkwürdige Angewohnheiten, und so ist ein Schein bei uns eben ein Schwein. Ein Gutschwein, ein Geldschwein und nun auch ein Heimatschwein. Prompt kam die Meldung: „Also…  Ich habe da mal in dem roten Büchlein nachgeschaut, da drin ist aber nur das Familienschwein und das Trauschwein. Wobei zweiteres schon zu Wurst verarbeitet wurde, unterdessen. Ich habe dann noch ein Heimatschwein von mir gefunden und erinnerte mich dabei, dass ich dieses auch neu bestellen musste. Langsam habe ich eine ganze Farm. Das Schwein nehmen sie dir dann auch gleich wieder ab und behalten es bei sich, für was auch immer. Wahrscheinlich mästen sie es und verzehren es danach.“.

Daraufhin habe ich den netten Herrn vom Kreisbüro kontaktiert, um ihm mitzuteilen, dass ich eigentlich nicht unbedingt drei Heimatorte brauche. Zwar mag man sich nach einer Scheidung per se etwas heimatlos fühlen, die Investition in eine Bürgerortssammlung vermag dies aber kaum zu kompensieren. Ohnehin ist Heimat da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde, das wusste schon Karl Jaspers. In meinem Fall also gewiss nicht auf dem Kreisbüro, aber da wollte ich eh nie hinziehen. Ich könnte mich noch nicht mal entscheiden, ob meine Heimat in Zürich oder in Basel ist. Bei einem Fussballspiel müsste ich zwischendrin sitzen, wo mich die einen wegen meines blau-weissen Schals, die anderen wegen meines Dialekts vermöbeln würden. Darum gehe ich nie. Ausserdem frage ich mich, wie das denn ist, wenn ich nun einen neuen Gefährten heirate, der, sagen wir, im Zillertal und in Wambululu beheimatet ist? Dann habe ich schon 5 Heimate, und vielleicht brauche ich am Ende gar für jede einzelne ein Schwei äh, ein Schein, und die Post flattert mir ins Haus wie seinerzeit die Tauben in der Basler Innenstadt.

Inzwischen habe ich kapituliert. Es bleibe bei den drei Heimatorten, erklärte mir den nette Herr vom Kreisbüro, nachdem er einleitend ausführte: „Nach ihrer Scheidung ändert sich ihr Zivilstand von verheiratet zu geschieden“. Ah ja. Jedenfalls werde ich in Zukunft am Arbeitsplatz öfters wieder früh Feierabend machen. Sollte nämlich jemand auf den Gedanken kommen, ich sei mit dem Geschäft verheiratet, wer weiss wie viele Heimatorte mir das beschert?